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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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dies gestatten – Ihr aufrechter Freund sein!«
    Meine liebe Mina, warum sind die Männer so edel, wo wir Frauen ihrer doch so wenig würdig sind? Da saß ich und hatte mich beinahe über diesen großherzigen, wahren Gentleman lustig machen wollen! Ich brach wieder in Tränen aus – ich fürchte, Liebste, Du wirst diesen Brief in mehr als einer Hinsicht sehr wässrig finden – und fühlte mich wirklich elend. Warum kann ein Mädchen denn nicht drei Männer heiraten, oder so viele, wie sich um sie bewerben? Man würde sich eine Menge Ärger ersparen! Ja, ich weiß, dass das gottlos ist und dass man so was nicht sagt. Ich war jedenfalls froh, dass ich Mr. Morris trotz meiner Tränen in die Augen sehen und ihm freimütig antworten konnte:
    »Ja, es gibt jemanden, den ich liebe, obwohl er mir bis heute noch nicht gesagt hat, dass er mich auch liebt.« Ich hatte recht daran |90| getan, so offen mit ihm zu sprechen, denn es zog ein Leuchten über sein Gesicht. Auch er ergriff meine beiden Hände – ich glaube, ich habe sie ihm sogar selbst gegeben – und sagte in herzlichem Ton:
    »Das ist mein mutiges Mädchen! Es ist mehr wert, zu spät um Sie zu werben, als rechtzeitig um irgendein anderes Mädchen in der Welt. Weinen Sie nicht, meine Liebe! Falls Sie um mich weinen sollten: Ich bin eine harte Nuss, ich kann allerhand einstecken und ich gehe nicht so leicht kaputt. Wenn dieser andere Bursche allerdings sein Glück noch nicht erkannt hat, so sollte er sich bald darum kümmern, oder er bekommt es mit mir zu tun. Liebe Kleine, Ihre Ehrlichkeit und Ihr Mut haben mich zu Ihrem Freund gemacht, und Freunde sind seltener als Liebhaber, denn sie sind selbstloser. Meine Liebe, da habe ich ja einen ziemlich einsamen Weg vor mir, von hier bis in die Ewigkeit. Wollen Sie mir nicht einen einzigen Kuss geben? Nur, um die zukünftige Finsternis von mir fernzuhalten. Wissen Sie, Sie dürfen das, wenn Sie es wollen, denn dieser andere Bursche – er muss ein guter Junge sein, ein feiner Mensch, sonst könnten Sie ihn ja nicht lieben – dieser andere jedenfalls hat sich Ihnen ja noch nicht erklärt.« Damit hatte er mich überzeugt, Mina, denn es war
wirklich
tapfer und süß von ihm, und nobel dazu, so von seinem Rivalen zu sprechen, nicht wahr? Und er war so traurig. Also beugte ich mich zu ihm hinüber und küsste ihn. Er stand auf, wobei er meine Hände immer noch in den seinen hielt, sah mir in die Augen – ich glaube, ich bin dabei sehr rot geworden – und sagte:
    »Kleines Mädchen, ich halte Ihre Hände und Sie haben mich geküsst. Wenn diese Dinge uns nicht zu Freunden machen können, dann weiß ich allerdings nicht, was sonst dazu imstande wäre. Ich danke Ihnen für Ihre Aufrichtigkeit gegen mich, und nun leben Sie wohl!« Er schüttelte mir die Hand, nahm seinen Hut und ging aufrecht aus dem Zimmer, ohne sich noch einmal umzusehen, ohne eine Träne, ohne ein Zittern oder Zögern. Und ich heule wie ein Kind. Oh, warum muss gerade ein Mann |91| wie er unglücklich werden, wo es doch Tausende von Mädchen gibt, die den Boden küssen würden, den sein Fuß betrat! Ich weiß, wenn ich frei wäre, würde ich … Aber ich wünsche ja gar nicht, frei zu sein! Meine Liebe, das ist mir wirklich nahegegangen, und ich bin nicht imstande, Dir von meinem Glück zu erzählen, nachdem ich Dir das Voranstehende erzählt habe. Über Nummer drei werde ich Dir schreiben, wenn ich wieder getröstet bin.
    Stets Deine
    Lucy
     
    PS: Nun, was Nummer drei betrifft, da muss ich Dir doch eigentlich gar nichts weiter erzählen, oder? Außer, dass alles ganz und gar konfus war. Es schien nur ein Augenblick nach seinem Eintritt vergangen zu sein, schon hatte er seine Arme um mich gelegt und mich geküsst. Ich bin sehr, sehr glücklich und weiß nicht, womit ich das verdient habe. Ich muss zukünftig versuchen, dem Herrgott nicht undankbar zu erscheinen für seine Güte, mir einen solchen Liebhaber, solch einen Ehemann und solch einen Freund geschenkt zu haben.
    Auf Wiedersehen!
     
    Dr. Sewards Tagebuch
    (phonographisch aufgenommen)
     
    25. April
    Heute mangelnder Appetit. Kann nichts essen, habe keine Ruhe, daher also Tagebuch. Seit meiner gestrigen Enttäuschung habe ich ein Gefühl der Leere; nichts in der Welt scheint mir noch von hinreichender Bedeutung, mich damit zu beschäftigen … Da ich weiß, dass die einzige Kur für derartige Zustände die Arbeit ist, ging ich hinunter zu meinen Patienten. Ich suchte mir denjenigen von ihnen heraus,

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