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Dracyr – Das Herz der Schatten

Dracyr – Das Herz der Schatten

Titel: Dracyr – Das Herz der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom , Susanne
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stellte das schwappende Glas behutsam auf den Tisch und sah Lord Harrynkar an. Der nickte, ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen, er schwieg. Kay sah ihn zum ersten Mal bewusst an, musterte seine Gesichtszüge, suchte nach Ähnlichkeiten zwischen ihm und Damian. Da war etwas im Ausdruck, das sie an seinen Sohn erinnerte, aber es war zu flüchtig, zu subtil, als dass sie es hätte benennen können.
    Lord Harrynkar legte die Hände zusammen und betrachtete Kay wie ein seltsames Insekt. » Glaubst du, ich hätte den Wein vergiftet? « , fragte er.
    Kay blinzelte zu Damian hinüber, der reglos neben der Tür wartete. Nichts an seiner Haltung und in seiner Miene verriet etwas von dem, was er dachte oder fühlte. » Warum solltet Ihr das tun? « , fragte sie. » Ihr könntet ein Messer nehmen oder mir den Hals umdrehen, Ihr könntet mich eigenhändig erschlagen oder einem Eurer Schergen den Befehl erteilen. Warum solltet Ihr mich vergiften wollen? « Kalte Vorahnung kroch ihr Rückgrat hinauf.
    Â» Ja, warum sollte ich das? « Er tippte nachdenklich gegen seine Lippen. Dann ließ er wie ein Taschenspieler ein Fläschchen zwischen seinen Fingern erscheinen. Kay erstarrte, sie wagte nicht, sich zu rühren. Ohne den Blick von ihr zu wenden, entkorkte Lord Harrynkar das Fläschchen und ließ seinen wasserklaren Inhalt in das Glas rinnen. » Warum sollte ich dich vergiften wollen? « , wiederholte er.
    Kay starrte auf das Glas. Ihre Gedanken rasten. Was sollte das, was bezweckte er damit? Sie griff zögernd nach dem Glas, spürte die Gravur, den Schliff zwischen ihren Fingern, kühle, kantige Glätte. Mit einem Blick zu Damian, der um Hilfe, um Rat flehte, hob sie das Glas an die Lippen und zögerte erneut. Damians Lider zuckten, aber er sagte nichts. Und wieder spürte sie Gormydas’ wortlose Warnung.
    Â» Nein « , sagte sie und stellte es ab. » Nein, ich möchte nicht mit Euch trinken. «
    Â» Schade, sehr schade « , sagte Lord Harrynkar mit einem Anklang von echtem Bedauern in der Stimme. Er blickte auf. » Damian, mein Sohn, trink du von diesem Wein, den deine Liebste verschmäht. «
    Â» Nein « , rief Kay und erhob sich halb von ihrem Stuhl. » Damian, tu es nicht! «
    Er hatte sich nicht bewegt, wie ihr auffiel, stand immer noch in der gleichen Haltung neben der Tür. Er wich ihrem Blick aus und sie begann zu frieren. Was ging hier vor?
    Lord Harrynkar lachte. Er nahm das Glas und leerte es bis auf einen kleinen Rest, den er auf die Tischplatte tropfen ließ.
    Kay hatte das Fläschchen zweifelsfrei erkannt, es war das ihre und enthielt das Gift. Hatte er den Inhalt ausgetauscht, ehe er diese Scharade für sie aufführte? Aber mit welchem Hintergedanken? Sie wusste nicht mehr, was sie denken sollte. Stumm und geschlagen beobachtete sie, wie der Dracyrlord seine Lippen abtupfte und dann eine beiläufige Handbewegung vollführte, an deren Endpunkt in der Luft ein winziges Licht aufglomm und wieder erlosch. In der Luft über dem Tisch bewegte sich etwas, eine große Spinne ließ sich an einem Faden auf die Platte herab und rannte dann auf ihren acht dünnen Beinen zu dem verschütteten Wein. Ungläubig beobachtete Kay, wie die Spinne sich auf die Tropfen senkte, einen Augenblick lang verharrte und zu zittern begann, die Beine eng an den Leib zog und auf die Seite rollte. Lord Harrynkar schnalzte mit der Zunge und stieß die Spinne an. Sie war tot. Kay legte das Gesicht in die Hände.
    Â» Wieso konntet Ihr unbeschadet davon trinken und das Tierchen nicht? « , fragte sie.
    Â» Ich bin schwer zu vergiften « , erwiderte er. » Ich bin überhaupt sehr schwer zu töten, mein Kind. Das hast du sicher schon bemerkt. «
    Kay tat einen bebenden Atemzug und sah ihn wieder an. Er hatte sich zurückgelehnt, und seine Finger spielten immer noch mit dem Fläschchen, drehten es, ließen es tanzen. Er sah sie unverwandt an.
    Â» Hättet Ihr Damian davon trinken lassen? « , fragte sie.
    Er neigte den Kopf und spitzte nachdenklich die Lippen. » Ja « , sagte er nach einer Weile. » Er hat schon eine Reihe solcher Prüfungen überlebt. Nicht wahr, Damian, mein Sohn? «
    Â» Ja, Vater « , antwortete Damian leise und ausdruckslos.
    Kay sprang auf, sie hielt es nicht länger aus. » Was habt Ihr nun mit mir vor? « , fragte sie. » Werdet Ihr mich

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