Dracyr – Das Herz der Schatten
Du gehörst zu uns, ob du willst oder nicht. « Er wendet sich ab und lässt sie stehen. Ihr Schluchzen klingt wie das Seufzen des Windes in den Höhlengängen.
Kapitel 14
Kay rettete sich nicht zum Nest zurück, sondern kroch irgendwo in dem Gewirr der Höhlen und Gänge in eine dunkle Ecke, weil ihr mit einem Mal schrecklich übel wurde. Sie legte den Kopf auf die Knie und lieà das Schluchzen langsam verebben, das sie schüttelte. Sie musste fort, so weit und so schnell wie möglich weg von diesem grausamen Ort, der ihre Seele verschlingen wollte. Als sie ihre Angst zu etwas anwachsen fühlte, das ihr das Bewusstsein rauben würde, lieà sie ihre Gedanken ein paar Stunden zurück in die Vergangenheit treiben.
Ihr Erwachen war so sanft gewesen wie das Emportauchen aus einer warmen Flüssigkeit und so erschreckend wie der Moment, in dem ein Säugling das Licht der Welt erblickt. Sie hatte nach Luft geschnappt und sich hastiger aufgesetzt, als es ihr guttat. Einen Moment lang hatte sie nicht gewusst, wo sie sich befand. Das war nicht ihre Kammer, nicht ihr Zimmer auf dem Gut, nicht das Bett im Schlafsaal des Klosters. Sie lag auf raschelndem Stroh und einer kratzigen Decke in tiefer Dunkelheit, in der etwas GroÃes atmete. Dicht bei ihr.
Kurz verschlug ihr der Schreck den Atem, dann spürte sie die sachte geistige Berührung des Dracer. Kay? Was ist?
Sie atmete zitternd aus und fuhr mit den Fingern durch ihr wirres Haar. Sie setzte sich ganz auf und lehnte sich gegen Gormydas. Seine Nähe war warm und tröstlich und linderte die Angst, die sie zu überfallen drohte.
Ich wusste nicht mehr, wo ich bin und was geschehen ist, antwortete sie.
Sein Lachen war tief und wohlklingend, auch wenn es nur in ihrem Kopf ertönte. Ich bin auch immer noch verwirrt, gab er zu. Aber es ist ein gutes Gefühl, dich bei mir zu wissen. Ich vermisse meine Schwester immer noch, aber der Schmerz ist nicht mehr so groÃ, dass er mir den Verstand zu rauben droht.
Kay legte ihre Hände auf seinen Hals. Er hatte ihr von Gormandel erzählt, und sie hatte um die tote Wyvern geweint, als wäre sie ihre eigene Schwester.
Ihr Magen knurrte laut. Sie lachte und stand auf. Schwindel ergriff sie und sie hielt sich an Gormydas fest. Wie lange war sie schon hier unten an seiner Seite? Wie lange hatte sie in dem tiefen, traumdurchwobenen Schlaf gelegen, in dem sich ihre Seele mit der des Dracer verschränkte und verschlang, bis sie nicht mehr sagen konnte, was zu ihm und was zu ihr gehörte?
» Ich habe Hunger « , sagte sie laut.
Ruf nach Sam.
Sie stakste zur Nestöffnung. Ihre Glieder fühlten sich an, als wären sie allesamt falsch eingehängt und verrostet. Kay blickte in den Gang, der düster und schlecht beleuchtet war wie das ganze unterirdische Höhlensystem. Morgan hatte sie hergeführt, nachdem er ihr das Zimmer gezeigt hatte, in dem sie künftig wohnen würde. Ein schönes Gemach, behaglich eingerichtet, mit einem groÃen, weichen Bett. Sie hatte es nur widerstrebend verlassen, um wieder in diese düstere Höhle zurückzukehren. Aber jedes Bedauern war in dem Augenblick verschwunden, als sie in Gormydasâ Sonnenaugen blickte und sich in seine Wärme kuscheln konnte.
» Sam? « , rief sie zaghaft. Sie verlieà das Nest und ging durch die breiten Gänge in die Richtung, in der sie den Hauptraum vermutete. Niemand war hier, wahrscheinlich war es tief in der Nacht und alle schliefen. Wenn sie nicht so einen nagenden Hunger verspürt hätte, wäre sie zu Gormydas zurückgekehrt und hätte dort gewartet, bis jemand kam, um nach ihr zu sehen.
Schritte, eine Stimme. » Mistress Kay? « Sie sah die füllige Gestalt des Pferchwächters vor einem Nest stehen. Sein schütteres graues Haar stand wirr vom Kopf ab, er sah aus, als wäre er aus tiefem Schlaf geweckt worden, aber er lächelte sie mit wachen, dunklen Augen an. » Ihr müsst hungrig sein, Euer Gnaden « , sagte er.
Kay ging zu ihm und nahm seine Hand, die breit und rau in ihren Fingern lag. » Bitte, nennt mich einfach nur bei meinem Namen « , bat sie. » Ich fühle mich so schrecklich verlassen, und wenn Ihr nun so förmlich zu mir seid⦠«
Er drückte ihre Hand. » Kay. Aber dann bin ich für dich auch nur Sam und kein âºIhrâ¹ und kein âºEuchâ¹. « Er lächelte breit. » Du hast Hunger « ,
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