Dracyr – Das Herz der Schatten
konstatierte er. » Komm mit, ich habe etwas zu essen für euch beide bringen lassen. «
Für euch beide? Kay sah ihn fragend an, aber er schob sie schon zum Hauptraum und deutete auf einen Sitzplatz mit Tisch, der in einer Nische aufgestellt war. » Mein Wohnzimmer « , sagte er. Kay vermutete einen Scherz und wollte lachen, aber ein Blick in sein Gesicht belehrte sie eines Besseren. Sam ging davon und kramte in einer weiteren Wandnische, holte einen Korb mit Essgeschirr und eingewickelten Päckchen hervor und eine in Stoff und Stroh gewickelte Blechkanne. » Der Tee ist inzwischen leider kalt « , sagte er bedauernd. » Ich kann ihn schnell erhitzen, wenn du einen Moment Geduld hast. «
Sie nickte nur, setzte sich an den Tisch und lehnte sich gegen die Wand, die an dieser Stelle warm war wie ein Kachelofen. Ihre Augen fielen zu.
Sie wurde wach, als ein heiÃer Becher in ihre Hand gedrückt wurde. Aromatisch dampfende Schwaden stiegen in ihr Gesicht und der Hunger kehrte mit Macht zurück. » Ah « , machte sie dankbar, trank und biss in das groÃe Butterbrot, das der Pferchwächter ihr auf den Teller gelegt hatte.
Sam lehnte auf dem anderen Hocker, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah ihr beim Essen zu. Sein wohlwollendes Lächeln wurde von einer kleinen, grüblerischen Wolke überschattet. Kay kaute und schluckte und sah ihn dabei an. Er hatte ein groÃes, kantiges, aber kein grobes Gesicht. Seine Nase war groà und gerade, die Augen wach und das Kinn kräftig. Er hielt sich kerzengerade und bewegte sich trotz seiner Fülle und seines fortgeschrittenen Alters leichtfüÃig und kraftvoll. Kay runzelte die Stirn. Warum musste sie bei seinem Anblick unwillkürlich an eine zierliche blonde Frau denken, die sie anlächelte und ihr einen Kuss auf die Stirn gab?
Sie schloss die Augen und beschwor das Bild so deutlich herauf, wie es ihr nur möglich war. Die Frau trug ein schönes Gewand aus seegrüner Seide und darüber einen schweren dunkelroten Samtmantel. Ihr Haar leuchtete hell, es war kunstvoll geflochten und aufgesteckt, die Kämme, die es hielten, funkelten und schimmerten mit dem Haar um die Wette.
Ein schmales, zartes Gesicht mit groÃen grauen Augen. Ein lächelnder Mund, der Worte formte, die sie nicht hören konnte. Sie blickte zu der Frau auf, die viel gröÃer war als sie selbst. Sehr viel gröÃer. Kay knurrte frustriert, als das Bild zwar deutlicher und klarer wurde, aber das Rätsel nicht löste, woher sie diese Frau kannte und was sie mit Sam, dem Pferchwächter zu tun hatte.
» Geht es dir gut? « , fragte dessen raue Stimme.
Kay bemerkte, dass sie aufgehört hatte zu essen und starr dasaÃ, ohne etwas zu tun oder zu sagen. Sie zwang sich zu einem Lächeln. » Es ist so vieles, was ich überdenken muss « , erwiderte sie. » Ich erinnere mich plötzlich an Dinge, von denen ich nicht weiÃ, was sie zu bedeuten haben. «
Sam nickte ihr beruhigend zu. » Das ist so, wenn man sich mit einem Dracer verbindet « , sagte er. » Alle, die ich begleitet habe, sagen das. «
Kay aà das Brot auf und wischte die Finger an ihrem groben Rock ab. » Bist du auch ein Reiter? «
Er schüttelte beinahe entsetzt den Kopf. » Ich? Ich bin ein alter Mann, ein Bediensteter seiner Lordschaft. Sehe ich aus wie einer von euch Schattenreitern? « Sein Grinsen erschien ihr ein wenig gekünstelt.
Kay neigte den Kopf und blickte in ihren Becher. Ihr Gesicht spiegelte sich verzerrt in der öligen Schicht, die sich auf dem abkühlenden Tee gebildet hatte. » Ich will nicht zu ihnen gehören « , flüsterte sie. » Sie sind Ungeheuer. «
Seine Pranke legte sich fest und warm auf ihre Hand. » Sie sind jung und dumm « , sagte er. » Sie begreifen nicht, was sie anrichten, wenn sie ihre Schatten auf die Jagd schicken, oder sie wollen es nicht sehen. Und sie lassen zu, dass die Dracyr und Lord Harrynkar das Denken für sie übernehmen. Ich glaube, du bist anders, Kay. « Er zögerte und setzte leise hinzu. » Genau wie Damian. «
Sie riss ihre Hand weg. » Damian « , stieà sie hervor. » Er ist ein Teufel, ebenso wie sein Vater! «
Sam seufzte schwer. » Er ist ein verwirrter, verlorener Junge « , widersprach er. » Du solltest nicht so über ihn sprechen. Ich liebe ihn wie einen eigenen Sohn. «
Kay schnaubte und
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