Dracyr – Das Herz der Schatten
« , fragte er rau.
Sie nickt knapp, ihr Gesichtsausdruck ist so ernst, dass er zornig wirkt. Ihre Blicke wandern über seine nackten Schultern, seine Brust, seine Arme. Er spürt eine ungewohnte Verlegenheit, streift hastig das nasse Hemd über und knöpft es zu.
» Hast du etwas zu essen bekommen? « , fragt er, um das Schweigen zu brechen. » Kümmert sich jemand um dich? « Was fragt er da? Was interessiert es ihn, ob ein Hausmädchen es bequem hat? Wäre da nicht dieses Gefühl in seiner Brust, das er nicht deuten kann. Diese Enge, dieser seltsame Drang, etwas zu ihr zu sagen, das sie zum Lächeln bringtâ¦
Sie streckt ihre langen Glieder und steht auf. » Danke « , sagt sie und mustert ihn verwundert. » Was interessiert es Euch, Mylord? « Ihre Worte sind ein gespenstisches Echo seiner Gedanken und die Kälte in ihrer Stimme beiÃt nicht weniger als das kalte Wasser aus der Pumpe. Er macht einen Schritt auf sie zu, streckt die Hand aus, aber sie weicht zurück. Ihr Blick sucht etwas in seiner Hand, an seinem Gürtel, und er begreift voller Scham, was es ist. » Ich habe keine Hintergedanken « , sagt er leise. » Du gehörst jetzt zu uns, Kay. Du bist eine Schattenreiterin. «
Ihr Gesicht verzerrt sich, sie weicht noch ein Stück zurück, flüchtet sich in den Schatten. Er steht da wie ein Idiot, mit ausgestreckter Hand, die er nun langsam zur Faust ballt. » Komm zurück « , ruft er. » Sei nicht albern. Ich muss dir noch eine Menge beibringen, ehe du eine vollwertige Reiterin bist. Kay! «
Er sieht sie nicht mehr, aber seine scharfen Sinne sagen ihm, wo sie ist. Er hört ihren Atem. Ein paar Schritte in ihre Richtung, das Gesicht von ihr abgewandt, damit sie sich nicht in die Enge getrieben fühlt. Ein sanfter Tonfall, wie bei einem verängstigten Dracyrjungen. » Ich bringe dir alles bei, was du wissen musst « , sagt er. » Fürchte dich nicht. Dein Dracer hat dich erwählt, damit kann dir niemand mehr etwas Böses tun. Ich bin ein guter Lehrer, Kay. Frag die anderen. Sie haben alles von mir gelernt. «
Ihr Atem geht hastig. » Du? « , hört er sie wispern. » Ich dachte, Lord Harrynkar⦠«
» Ich bin euer Lehrer « , wiederholt er. » Ich habe die gröÃte Erfahrung nach meinem Vater und nach Sam. «
Die Erwähnung des Pferchwächters scheint sie zu beruhigen. Sie atmet tief ein und wieder aus und schiebt sich aus ihrem Versteck. Ihre Augen sind groà und dunkel. » Das ist nicht das, was ich mir vorgestellt hatte « , sagt sie. » Ich bin nicht hierhergekommen, um eins von diesen Ungeheuern zu werden, das Blut und Tod, Schrecken und Gewalt über die Menschen bringt. Lieber sterbe ich⦠«
Er ist mit zwei schnellen, langen Schritten bei ihr und greift, ehe sie zurückweichen kann, nach ihren Armen. » Du bist eine Dracyrreiterin « , sagt er und zieht sie, obwohl sie sich sträubt, an seine Brust. Ihr Herz schlägt so schnell, dass ihr ganzer Körper zu vibrieren scheint. » Die anderen Menschen werden dich bald schon nicht mehr kümmern als die Spatzen in den Bäumen und die Mäuse im Unrat. «
Sie atmet zischend ein und schiebt ihn mit erstaunlicher Kraft von sich. Ihre Augen flammen und ihr Haar züngelt wie schwarze Schlangen um ihr Gesicht. » Niemals « , sagt sie. » Niemals werde ich eine von euch sein. Nimm deine Hände von mir, Damian, Sohn des Teufels. « Ehe sie ihn anspucken kann, reiÃt er den Kopf zur Seite.
» Du wirst deine Meinung ändern « , sagt er und ringt um Beherrschung. Seine Fäuste ballen sich. Wie gerne hätte er sie gepackt und auf den Boden geworfen, ihre Beine mit seinen Knien auseinandergezwungen, ihr Hände auf den Boden gepresst, ihren Mund mit seinen Lippen verschlossen. Aber er zwingt sich, die Arme zu verschränken und stehen zu bleiben. Die Zeit wird für ihn spielen. Je mehr Zeit Kay mit ihrem Dracer verbringt, je öfter sie in Gesellschaft der anderen Reiter ist, desto schneller wird sie vergessen, was früher war. Er kann warten. Das ist eine seiner gröÃten Stärken: seine Geduld.
Der Hass in ihrem Gesicht weicht Verwirrung. Sie öffnet die Lippen und fährt nervös mit der Zunge darüber. » Du bestrafst mich nicht? «
» Nein « , sagt er sanft, obwohl ein Sturm in seinem Inneren tobt. » Nein, Kay. Ich bestrafe dich nie wieder.
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