Dracyr – Das Herz der Schatten
und Schultern waren über und über mit Narben bedecktâ alte, blasse und frischere, die noch rot schimmerten. Er drehte sich und schüttelte sein Haar aus, und dabei kam sein Rücken in Sichtâ kreuz und quer gezeichnet von den Spuren der Misshandlungen. Kay legte die Hand vor den Mund, um nicht aufzustöhnen.
Dennoch musste er sie gehört haben, denn er hielt inne und sah zu ihr hin. Sein Gesicht verriet nicht, was er dachte. Er strich das wirre, nasse Haar aus seiner Stirn und fragte sie irgendetwas. In Kays Ohren sauste das Blut. Sie lieà sich aus der Nische gleiten und stand da, bereit, die Flucht zu ergreifen, antwortete, ohne sich selbst zuzuhören. Sie war vollkommen durcheinander, und als er erneut etwas sagte, die Hand ausstreckte, einen Schritt auf sie zumachte, wollte sie sich umdrehen und fliehen, weg von ihm, nur weg!
Dann erreichte der besänftigende Tonfall seiner Stimme ihr aufgewühltes Gemüt, und sie erwiderte seinen Blick, der aus weit geöffneten Augen direkt in ihr Inneres zu dringen schien.
Er sagte schreckliche Dinge. Grausame, blutige, böse Dinge über sie und das Leben als Schattenreiterin, das sie erwartete. Die Wände, die Decke des Höhlenraumes schienen sich um sie zu schlieÃen und wollten sie lebendig begraben. Sie bekam keine Luft mehr.
Sie kam wieder zu sich, als seine Hände sich um ihre Arme schlossen, sie an seine harte Brust zogen, seine Lippen ihre Stirn streiften, sein Atem sie berührte, seine Stimme in ihr Ohr drang wie süÃes Gift. Ihr Widerstand wollte erlahmen. Sie sank ihm entgegen, verlangte nach seiner Umarmung, wünschte sich seine Zärtlichkeitâ und gleichzeitig wollte sie schreien, ihn schlagen, ihn von sich stoÃen. Der Zwiespalt drohte sie zu zerreiÃen. Sie stieà ihn mit aller Kraft von sich und sah den Zorn in seinen Augen aufflammen. Sie wusste, was er dachte. Kurz, wie von einem Blitz erhellt, als wäre sie in sein Gehirn eingetaucht. Sie sah, wie er sie zu Boden schleuderte, sie mit seinem Gewicht niederdrückte, ihren Widerstand brach und sie zu einem Kuss zwang, in dem keine Zärtlichkeit, kein Gefühl auÃer dem des Zorns, der wilden Gier lag.
Kay wich vor ihm zurück in den Schatten.
Sie ignorierte seine Stimme, die ihr versicherte, er werde ihr nichts zuleide tun. Sie wusste, dass er log, Damian, der Sohn des Dracyrlords, dem sie nun auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war.
Kay trocknete ihr Gesicht mit ihrem Rock und erhob sich. Es war vollkommen sinnlos, hier zu hocken und auf das Ende der Welt zu warten, das sie erlösen würde. Sinnlos und kindisch. Sie würde einen Weg aus dieser Falle finden und vielleicht konnte Gormydas ihr dabei helfen.
Der Dracer war wach, als sie das Nest betrat, und sie konnte seine Nervosität wie eine Hitzewelle spüren. Kay, hörte sie ihn in ihrem Inneren. Du bist beunruhigt. Jemand hat dich bedroht. Ich wollte dir beistehen, aber dann spürte ich, dass du bereits auf dem Weg zu mir warst.
Sie lieà zu, dass er seinen Flügel über sie breitete. Die Wärme und Nähe des groÃen Wesens tröstete sie. Sie schmiegte sich an seine Seite und öffnete ihm ihren Geist.
Dracergeist und Menschengeist vermengten sich zu einem Gebilde, das weder Mensch noch Dracer war, sondern etwas Drittes, Fremdes und Beängstigendes.
Feind, dachte das Bewusstsein, nicht in Worten, sondern in dunklen und lichten Bildern. Böse und schlecht. Töten. Flucht. Sonnenlicht. Sehnsucht. Fliegen, niemals mehr zurückkehren in die Welt der Menschen. Leben, frei unter dem Himmel. Liebe. Hass. Tod. Freundschaft. Sehnsucht. Flucht. Leben in Freiheit. Flucht ...
Das wortlose Denken versiegte und beide sanken in Schlaf.
Kapitel 15
» Sie treiben mich in den Wahnsinn, Jungfer Karolyn « , rief der Lehrer und raufte sich theatralisch die Haare. » Nein, das ist nicht die vorschriftsmäÃige Methode, einen verschlüsselten Text zu übertragen. Sie dürfen sich nicht darauf verlassen, dass Ihr Dracer Ihnen immer dabei helfen kann. Sie müssen es ganz alleine schaffen, nur mit dem, was Sie an eigenem Verstand hinter Ihrer hübschen Stirn verbergen! « Er tippte ihr gegen den Kopf und lächelte sie dabei an.
Kay biss sich auf die Lippe, weil sie das gedämpfte Kichern Corenas und ihr Flüstern hören konnte, mit dem sie ihrer Nachbarin mitteilte, für wie auÃerordentlich beschränkt sie das
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