Dracyr – Das Herz der Schatten
Gorm! «
Damian riss den Kopf hoch und starrte den Dracer an. Sie spürte die Anspannung, die durch Gormydas ging und wusste, dass sein Wille gegen den des jungen Lords kämpfte.
» Lass ihn « , sagte sie und vergaà den Schmerz in ihren Beinen. » Damian, lass ihn in Ruhe! «
Gormydas öffnete das Maul, als wolle er Damian damit packen. Feuer gloste tief in seinem Rachen. Damian zog, ohne den Blick abzuwenden, seine Führgerte aus dem Gürtel.
Kay warf sich nach vorne, was ihr beinahe den Rücken brach, und packte die Gerte. » Nein « , sagte sie laut und wütend. » Du schlägst meinen Dracer nicht, du Sohn eines Teufels! «
Er fuhr zu ihr herum und starrte sie an. » Wie nennst du mich? «
Kay hob das Kinn. Ihre Beine fühlten sich an, als würden sie langsam absterben, das Blut wummerte schwer und dumpf durch ihre Adern, die Nerven prickelten schmerzhaft. Sie lieà sich nicht davon ablenken, sondern erwiderte Damians Blick nicht minder zornig. » Du bist ein Teufel, Damian Harrynkar. «
Die Gerte fiel aus seiner Hand, klirrte gegen einen Metallriemen und verschwand in der Tiefe. Seine Hand schoss vor, Kay warf sich zurück und kämpfte vergeblich gegen die Sicherung, die sie unerbittlich an den Sattel fesselte. Damians Hand legte sich schwer in ihren Nacken und zog sie nach vorne, sodass der vordere Rand des hohen Sattels sich schmerzhaft in ihre Rippen bohrte. Sie stieà mit dem Ellbogen nach Damian, aber er fixierte ihre Arme, zog sie eng an seine Brust und drückte seine Lippen auf ihren Mund. Einen Augenblick lang war Kay so verblüfft, dass ihr Widerstand erlahmte. Seine Lippen waren hart, sein Kuss stellte keine Liebkosung dar, sondern eine Machtdemonstration. Sie knurrte tief in der Kehle und verweigerte sich seinem Mund, presste ihre Lippen fest aufeinander und stieà mit dem Kopf nach ihm. Knochen prallte auf Knochen.
Er fuhr zurück und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Sein Atem ging so schwer, als hätte er eine enorme Anstrengung vollbracht. Auch Kay pumpte Luft in ihre Lungen wie eine Ertrinkende. » Mach das nie wieder « , stieà sie hervor. » Beim nächsten Mal bekommst du mein Messer zwischen die Rippen, Harrynkar! «
Er wandte sich wortlos ab und sprang auf den Boden. » Setz die Brille auf und zieh deine Handschuhe an « , hörte Kay ihn rufen. » Halte dich bereit. «
Sie atmete heftig aus. Brille aufsetzen? Was sollte das bedeuten, wollte er, dass sie ihren ersten Flug unternahm? Mit bebenden Fingern schob sie ihre Brille über die Augen. Das Blau der Gläser lieà die Umgebung düster und frostig zugleich erscheinen. » Wir fliegen, Gorm « , sagte sie leise und atemlos. » Wir beide fliegen endlich! «
Sie fühlte, wie das Dracerbewusstsein sie warm und behutsam umarmte. Freude. Zitternde Erwartung. Dunkel glühender Zorn auf den Mann mit seiner Peitsche.
Etwas klirrte, Sonnenschein fiel in den dunklen Korridor. Die äuÃere Luke öffnete sich langsam, Zentimeter für Zentimeter. Kay wandte das Gesicht empor und badete es im Tageslicht. Sie hatte bis gestern eine tagelange Dienstperiode im Pferch abgeleistet. Das gehörte zu den Pflichten der Zöglinge, bei denen sie sich im regelmäÃigen Turnus abwechselten. Immerhinâ sie konnte danach wieder an die Oberfläche zurückkehren. Die Pferchwächter waren für alle Zeit unter der Erde eingesperrt und mussten dort bleiben, bis sie starben. Kay schauderte. Nur Licht zu sehen, Luft zu spüren, wenn man die Dracyr in den AuÃenpferch brachte. Immer in der Dunkelheit und Stille der Höhlen zu leben. Morgan hatte ihr erklärt, dass die meisten Pferchwächter zum Tode verurteilte Aufrührer und Königstreue waren, die vor die Wahl gestellt worden waren, ihr Leben entweder als Futter oder als Dracyrpfleger zu beenden. Die meisten von ihnen entschieden sich für den Tod. Kay konnte das verstehen.
» Bist du fertig? « , riss Damians Stimme sie aus ihren düsteren Gedanken. Sie beugte sich vor und starrte in die Dunkelheit hinter dem einfallenden Licht, das wie eine Säule zwischen ihr und dem zweiten Tunnel stand. Dort regte sich ein riesiger Schatten, sie hörte das Wispern und Schaben von ledriger Haut auf Schuppen. Noctyria. Kay streckte ihren Geist aus und berührte die Wyvern. Sie spürte den Druck des Dracerbewusstseins, das sie freundlich
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