Dracyr – Das Herz der Schatten
zitternd Luft. » Bleib hier « , hörte sie sich sagen. » Flieg nicht mit ihnen, Damian. «
Er sah sie an. Dann schüttelte er den Kopf. » Es ist meine Aufgabe « , sagte er. » Fürchte dich nicht. Wir kehren zurück. Und beim nächsten Mal fliegst du an meiner Seite. «
Kay sah ihm nach, wie er mit entschlossenen Schritten zu Noctyrias Nest ging. Sie besänftigte ihren Atem, beruhigte ihre zitternden Knie und folgte den anderen. Sie hatte noch nie den Abflug der gesamten Formation gesehen und wollte dies bei allem Widerwillen, der sie schüttelte, dennoch mitansehen.
Die drei gröÃten Abflugtunnel wurden gerade geöffnet, als sie den groÃen Höhlenraum erreichte. Sie sah, dass Tyron, Evan und Esbeth bereits auf ihren Dracyr warteten, Morgan kletterte in Valedanysâ Sattel, die anderen Dracyr gesellten sich noch ohne ihre Reiter zu ihren Gefährten in die Startpositionen. Kay klammerte die Hände ineinander. Der Anblick der Reiter in ihrer Vermummung weckte Kays alte Ãngste vor diesen Schreckensgestalten, obwohl sie doch inzwischen nur zu genau wusste, wer hinter den Masken und unter den Umhängen steckte.
Die Dracyr standen still und erwarteten ihre Befehle, während rund um sie Pferchwächter an den Riemen und Gurten zurrten. Die restlichen Reiter stiegen auf. Nun waren alle bereit zum Start, nur Lord Harrynkar und sein Dracer fehlten.
Die Pferchwächter zogen sich wie auf ein geheimes Signal zurück und lieÃen die Schattenreiter allein zurück. Kay sah, dass Noctyria unruhig den Kopf wandte. Aus dem Zugang ertönte ein Scharren, ein tiefes Grollen, das Geräusch von Leder und Schuppen, Metall und Stein. Dann schob sich ein riesenhafter nachtschwarzer Dracer in den Höhlenraum, richtete sich auf und lieà seinen Blick über die Formation schweifen. Kay duckte sich unwillkürlich und presste sich eng an die Höhlenwand. Der Anblick des schwarzen Dracer lieà ihren Atem stocken und presste ihr Herz zu einem angsterfüllten, heiÃen Knoten zusammen. Der Blick der Draceraugen strich über sie und ruhte einen Moment länger auf ihr. Sie blinzelte. Es waren Lord Harrynkars Augen, die sie aus dem Dracergesicht ansahen: wild, opalisierend, funkelnd, grausam und wahnsinnig. Sie presste die Faust vor den Mund, um nicht aufzuschreien vor Entsetzen.
Der Dracyrlord gab ein Zeichen mit der Hand und die Schattenreiter der ersten Reihe betraten die Flugkorridore.
Eine Lücke in der linken Reihe zeigte an, wo Gormydasâ Platz gewesen wäre. Kay schauderte. Von einer plötzlichen Unruhe ergriffen, streckte sie ihren Geist aus, wollte noch einmal Noctyria berühren und ihr sagen, sie möge auf Damian aufpassen.
Ihr Geist berührte dunkle Hitze, blendende Schwärze, eine uralte, mächtige und böse Präsenz. Sie sah nichts mehr, hörte nichts mehr, ihr Körper war gefühllos, ihre Seele erstarrte vor Furcht. Alt. Unglaublich alt. Nie zuvor war ihr die Essenz einer Wesenheit wie dieser begegnet. Es war ein Dracer, das konnte sie an dem ganz spezifischen » Geschmack « erkennen, der den Kontakt mit einem Dracerbewusstsein begleitete. Aber es war gleichzeitig mehr als dasâ es war, als berührte ihr Geist das Wesen der Welt, den Urgrund des Seins, etwas, das älter war als alles Leben und sogar älter als der Boden, auf dem sie stand, älter als Berge und Ozeaneâ so alt wie die Sterne am Himmel.
Sie sank in die Knie und krallte die Finger in den Fels. Ihre Fingernägel splitterten, Blut sickerte aus dem Fleisch. Sie spürte keinen Schmerz, nur den Druck, die Kälte, die Schwärze des Dracerbewusstseins. Es presste ihr die Luft aus den Lungen und jeden Gedanken aus dem Kopf. Sie kauerte auf Händen und Knien auf dem Boden und glaubte zu sterben.
Der Kontakt riss wie eine überdehnte Peitschenschnur und lieà sie orientierungslos zurück. Sie brauchte einige Atemzüge, um wieder zu wissen, wer und wo sie war. Als ihr Blick sich klärte, sah sie, wie der letzte Dracer den Flugkorridor verlieà und aufstiegâ Paindal, der Schwarze Panther, und auf seinem Rücken, klein wie ein Kind, die mächtige Gestalt des Dracyrlords.
Kay rappelte sich auf und suchte Zuflucht bei Gormydas.
Kapitel 17
Die Schattenreiter kehrten an diesem und auch am nächsten Tag nicht zurück. Kay war unruhig und gereizt. Das leere Studierzimmer, die verlassene Bibliothek, der
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