Dracyr – Das Herz der Schatten
älteren Mann, war entspannt, seine Lippen bogen sich zu einem winzigen Lächeln nach oben. Die Falte zwischen seinen Brauen war verschwunden, ebenso die harten Linien, die sonst seine Wangen noch schmaler, seine Kieferknochen scharf und eckig wirken lieÃen. Wie er dahockte, mit hochgeschobenen Ãrmeln, seine feine Samtjacke achtlos auf einen Ballen Stroh geworfen, erinnerte er sie an ihre Cousins, die ein Fohlen ihrer Lieblingsstute begutachteten.
Er strich mit dem Handrücken eine Strähne seines Haars aus dem Gesicht und schob den leeren Korb beiseite. » Brav gefressen, ihr Hübschen « , sagte er sanft und streichelte dem Kleineren der beiden Nestlinge über die Nüstern. Das Junge schniefte leise und stieà mit der langen Schnauze gegen Damians Hände, suchte nach Mäusen, fiepte enttäuscht. Damian sah auf, erwiderte Kays Blick. Das Lachen in seinen Augen lieà eine kleine Hitzewelle durch ihren Körper fluten. Sie erwiderte es, ohne nachzudenken.
Er hielt den Blickkontakt noch einige Atemzüge länger, während das Lachen langsam erlosch und einer anderen Regung Platz machte. Samtweich, dunkel, gefährlich. Kay spürte, wie ihre Kehle eng wurde. » Was sagst du zu ihm? « , fragte sie hastig, um den seltsamen Zauber zu brechen.
Er senkte den Blick und legte seine Hand auf den Kopf des Nestlings. » Wir müssen auf ihn achten « , sagte er nach einer Weile. » Sein Geschwister ist stark, es wird ihm seine Nahrung vor der Nase wegfressen. Dieses hier hat ein starkes Herz, es ist ein Kämpfer, aber seine körperliche Konstitution ist schwächlich. «
Kay nickte. » Es ist ein Mickerling « , sagte sie. » Wenn sie durchkommen, sind sie zäh und stark. Mein liebstes Fohlen war auch so ein⦠« Sie unterbrach sich hastig. Es stand einem Dienstmädchen kaum zu, ein eigenes Pferd zu besitzen.
Damian sah sie nachdenklich an. Er beugte sich vor und berührte ihre Hand. Kay zuckte zurück, aber er hielt sie fest. » Du wirst dich um den Grünen kümmern « , sagte er. » Schaffst du das neben dem Unterricht? «
Sie nickte überrascht. » Warum nennst du ihn den Grünen? «
Er löste seinen Griff um ihre Hand und berührte den kleineren Nestling. Er schob behutsam das weich-struppige Flaumgefieder beiseite und zeigte ihr die Farbe der noch unentwickelten Schuppen. Ein mildes, helles Grün. » Es wird noch dunkler « sagte Damian. » Das andere ist violett. « Er lächelte versonnen. » Ich hätte wetten können, dass Palemyon der Vater ist. «
Das war Nyes Dracer, ein schöner meerblauer Warner. Kay erwiderte Damians Lächeln, dann erstarb die Freude in ihr. » Hättest du mich wirklich getötet? « , fragte sie.
Er senkte den Blick. » Ja « , sagte er zögernd. » Vielleicht hätte ich das getan. Es ist meine Aufgabe. Ich lehre euch, mit den Dracyr umzugehen, und ich trage die Verantwortung, wenn ihr Fehler macht. Oder meinen Vater verraten wollt. Ich bin sein Werkzeug. «
» Vielleicht « , wiederholte Kay, seltsam erleichtert. » Du warst dir nicht sicher? «
Er schwieg mit abgewandtem Gesicht. » Nein « , flüsterte er dann. » Nein, ich war mir nicht sicher. Ich bin schwach, Kay Donne. Eine Enttäuschung für meinen Vater. Ich schäme mich dafür. «
Kay dachte nicht darüber nach, was sie tat. Sie legte ihre Arme um ihn und drückte ihn an sich. » Das ist keine Schwäche « , flüsterte sie ihm ins Ohr. » Das ist Mitgefühl. Du hast ein Herz, Damian Harrynkar, und das unterscheidet dich von deinem Vater. «
Er verharrte steif in ihrer Umarmung. Sein Atem streifte ihre Wange. » Herz « , sagte er tonlos. » Ich habe kein Herz, Kay. Gefühle sind etwas für Schwächlinge. Mein Vater liebt mich, und deshalb schlägt er mich, wenn ich versage. Er will, dass ich stark bin. «
Kay strich mit der Fingerspitze über eine der Narben in seinem Gesicht. » Das ist keine Liebe « , sagte sie zornig. » Das ist Hass. «
Sein Herz schlug schnell und hart, sie konnte die Erschütterungen spüren, als wäre es ihr eigener Pulsschlag. Damians Augen sahen sie groà und dunkel an, der Widerstreit der Gefühle in seiner Miene rührte sie an wie der Anblick eines Dracerjungen. Er neigte den Kopf und küsste sie. Kay wich nicht zurück, sie legte ihre Hände auf seine Schultern
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