Dragon Fire
Schwester. Aber die zählt nicht, weil sie eine verklemmte Zimperliese
ist.«
Einer der Gefangenen,
ein sehr großer, dunkelhäutiger Kerl, stand langsam auf. Keita beobachtete ihn,
doch nach ungefähr drei Schritten in ihre Richtung blieb er stehen, schluckte
und wich zurück.
Eigentlich nicht
überraschend. Keita hatte über die Jahre festgestellt, dass Raubtiere andere
Raubtiere erkannten. Und schlaue Raubtiere wussten, wenn sie sich in der
Gegenwart von etwas viel Gefährlicherem befanden, als sie selbst es nicht
einmal in ihren kühnsten Träumen je werden würden.
Jetzt schon unglaublich
gelangweilt, wandte sich Keita wieder der Zellentür zu. Sie wusste, dass sie
sich in ihre natürliche Gestalt verwandeln und aus diesem Kerker entkommen
könnte. Es stimmte, sie war klein im Vergleich zu anderen Drachinnen, aber ihre
wahre Gestalt könnte trotzdem zumindest durch die Küchenräume und
Gesindequartiere über ihr brechen, vielleicht auch durch den Boden darüber.
Außerdem würde sie mindestens drei der Wände um sie herum zerstören und viele
Menschen dabei töten. Nicht nur die Mistkerle, die sie hierhergebracht hatten,
allerdings, sondern möglicherweise auch das nette Dienstmädchen, das ihr abends
die Haare kämmte, den alten Bäcker, der ihr immer ein paar Leckereien zur Seite
legte, und das Hausmädchen, das sie immer mit allem möglichen Schlosstratsch
zum Lachen brachte. Sie zu töten, wäre Keitas Meinung nach ungerecht gewesen,
da ihr einziger Fehler darin bestanden hätte, dass sie zur falschen Zeit am
falschen Ort waren.
Nein, Keita gefiel
dieser Gedanke ganz und gar nicht. Deshalb würde sie warten. Sie hatte sich
schon aus schlimmeren Lagen herausgeredet – sie würde es auch diesmal schaffen.
Also starrte Keita
durch die Gitterstäbe und hoffte, die Wachen mit etwas zu essen zurückkommen zu
sehen. Als sie nicht kamen, umfasste sie zwei Gitterstäbe mit den Händen, und
sofort sprang der Wachhund direkt vor der Zelle auf, knurrte und schnappte nach
ihren Händen.
Augenblicklich zog sie
sie zurück und beobachtete, wie die wildgewordene Bestie zur Sicherheit noch
einmal die leeren Gitterstäbe angriff.
Keita lächelte und
sagte: »Na hallo, du lecker aussehendes kleines Ding, du.«
»Glaubst du, du kannst
mich überzeugen, mein kleines Regentröpfchen, dass du wirklich deine Macht
aufgeben würdest? Wir wissen doch beide, dass die wahre Macht manchmal hinter
dem Thron liegt. Aber sag mir, mein bezaubernder Blitz, weiß dein Bruder, dass
er dein Hündchen sein wird? Oder ist er groß und dämlich wie dein Vater?«
»Hast du mich aus
einem bestimmten Grund gerufen, Königin Rhiannon?«
»Oooh. Kurz
angebunden. Da habe ich wohl einen barbarischen Nerv getroffen.«
»Majestät …«
Sie hob eine weiße
Klaue. »Aye. Ich habe dich aus einem bestimmten Grund gerufen. Ich muss dich um
einen Gefallen bitten. Zwei Gefallen, um genau zu sein.«
»Und die wären?«
»Na ja, einer ist mein
Sohn.«
»Dein Sohn?«
»Ja. Mein jüngster?«
Ragnar starrte sie an.
»Er ist seit zwei
Jahren bei euch? Damit er die berühmten Kriegersitten der Blitzdrachen lernt?«
Ragnar sah sie immer
noch ausdruckslos an.
»Er ist sehr groß?
Sehr stark … sehr blau?«
»Oh. Ja, natürlich.« Der Idiot . Na ja … er war nicht direkt ein
Idiot. Nur jung. Sehr jung. Der Nachwuchs der Nordländer wuchs schnell heran,
sie zogen normalerweise schon in den Kampf, bevor sie fünfzig Winter alt waren.
Doch die Südländer behandelten ihren Nachwuchs wie Babys, und oft waren diese
verzogenen Kreaturen zu nicht viel zu gebrauchen, bevor ein Jahrhundert oder
mehr ins Land gezogen war. Der Jüngste der Königin hatte genau dieses Problem.
Doch weil er ein Mitglied des südländischen Königshauses und ein Schützling von
Ragnars Vetter Meinhard war, ließen ihn die Krieger in Ruhe. Das und die
Tatsache, dass der junge Drache sehr schnell und effizient Bäume mit seinen
bloßen Krallen aus dem Weg räumen konnte, war alles, was den Idiot davor
bewahrte, täglich kräftig verprügelt zu werden. Wie Ragnar las der Sohn der
Königin gern, aber er träumte auch gern vor sich hin und aß mit Vergnügen. Bei
den Göttern, konnte dieser Drache essen. Wenn sie zusätzliche Rinder liefern
lassen mussten, war sich Ragnar sicher, dass es nur diesem verdammten
königlichen Sprössling zu verdanken war. Und wenn er nicht gerade aß, las oder
vor sich hin träumte, verbrachte der Blaue den Rest seiner Zeit damit,
Weitere Kostenlose Bücher