Dragon Sin: Roman (German Edition)
den Weg machen«, drängte Rhona zum Aufbruch.
Keita betrachtete sie rasch von oben bis unten. »Du drängelst, Cousine.«
»Je schneller wir es hinter uns bringen, desto schneller kann ich in den Krieg zurückkehren.«
»Und Ruhm erwerben?«
»Was gibt es denn sonst für eine Cadwaladr?«
Keita klopfte Rhona auf die Schulter. »Du machst mich traurig.«
Ragnar, der ebenfalls Menschengestalt angenommen hatte, schlang die Arme um Keita und zog sie an sich. Er drückte sie und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
Auch wenn Rhona ihnen keine Privatsphäre verschaffen konnte, wandte sie sich zumindest ab – und stand Vigholf gegenüber. Sie runzelte die Stirn, als sie bemerkte, dass er ebenfalls reisefertig war. Er hatte sich den großen verstellbaren Kriegshammer und die Axt auf den Rücken geschnallt und sich einen dünnen Pelzumhang und eine Reisetasche über die Schulter geworfen.
»Warum bist du hier?«, fragte sie Vigholf.
»Ich komme mit.«
Sie kniff die Augen zusammen – so sehr, dass sie fast nichts mehr sehen konnte. »Wohin?«
»Ich begleite Keita und Ren, zu ihrem Schutz.«
Rhona rammte den Schaft eines ihrer Ersatzspeere in den Boden und schloss die Hand fest darum. »Dafür haben sie mich bereits. Ich bin hier, um sie zu beschützen.«
»Natürlich bist du das.« Die Herablassung in seinen Worten war klar und deutlich zu hören. Sie war überrascht, dass er ihr nicht den Kopf tätschelte, wie man es bei einem verkrüppelten, aber geliebten Köter tat.
»Ein neuer Speer?«, fragte er.
»Nein. Einer aus meiner Reserve.«
»Hast du schon einmal daran gedacht, auf ein Kurzschwert umzusteigen?«
»Nein.«
»Der Umgang damit ist nicht allzu schwer zu erlernen. Ich könnte es dir auf der Reise zeigen.«
»Ich weiß, wie man ein Kurzschwert benutzt. Wie ich dir schon erklärt habe, bin ich an allen Waffen ausgebildet worden.«
»Und trotzdem benutzt du noch immer Speere?«
»Ich mag sie.«
»Zum Gebrauch im Feld kann ich das verstehen. Aber für eine solche Mission … solltest du da nicht etwas benutzen, das weniger … schwerfällig ist?«
Rhona riss den Speer hoch und wollte an seinem Hals demonstrieren, wie wenig schwerfällig ihre Waffe war, aber Ragnar trat dazwischen.
»Sieh dich draußen um«, sagte er zu seinem Bruder. »Vergewissere dich, dass die Luft rein ist.«
Vigholf stapfte davon, und Ragnar wandte sich wieder Rhona zu.
»Ich weiß«, meinte er, bevor sie etwas sagen konnte. »Ich weiß.«
»Wie können zwei Brüder bloß so verdammt unterschiedlich sein?«
»Lass ihn dabei sein«, bat Ragnar sie mit einem Lächeln. »Dann fühlt er sich besser und …«
»Und du auch?«
Er zuckte die Achseln. »Sie ist meine Keita. Wenn ich weiß, dass sowohl du als auch mein Bruder sie beschützt, habe ich mehr Ruhe. Du wirst bald erfahren, warum diese Reise so wichtig ist. Bitte tu es mir und meinem Seelenfrieden zuliebe.«
Verflucht. Wenn jemand anderes das gesagt hätte … Aber es war Ragnar. Von Anfang an hatte er Rhona beeindruckt. Er war hübsch, klug und ein starker Kommandant, und er hatte nie infrage gestellt, ob sie oder irgendeine andere Frau kämpfen konnte. Er war einfach davon ausgegangen, dass man seine Arbeit tat, wenn man in der Armee war. Das war selten bei einem Blitzdrachen. Sein Bruder hingegen …
»Rhona?«, drängte Ragnar.
Sie nickte widerstrebend. »In Ordnung. Aber jetzt schuldest du mir etwas, Drachenlord – weil ich ihn ertragen muss.«
»Das ist nur gerecht.« Ragnar zwinkerte ihr zu und zeigte dann auf Keita. »Du wirst auf sie aufpassen?«
»Sie ist eine Blutsverwandte, Mylord. Ich werde sie mit meinem Leben beschützen.«
»Gut. Denn sie ist mein Leben.«
Rhona lächelte. »Das weiß ich.«
Vigholf kauerte sich neben den schmalen Höhlenausgang, der gerade groß genug für einen Menschen war. Er hob den Arm, streckte die Hand aus, und dann hörte er es. Meinhards Signal verriet ihm, dass die Luft rein war. Vigholf wartete eine Sekunde, dann noch eine. Als er sich sicher war, senkte er die Hand.
Rhona kam als Erste heraus. Ihr Blick schweifte durch die Gegend. Einen Moment später huschte sie geduckt zur Seite.
Keita und der Ostländer eilten hinter ihr heraus; sie hielten sich ebenfalls dicht am Boden und schwiegen. Er schaute ein letztes Mal auf den Eingang zurück, neben dem sein Bruder stand und ihnen nachsah. Ihre Blicke trafen sich; ein Lebewohl war nicht mehr nötig. Auf dieser Reise konnte Vigholf alles Mögliche zustoßen, und im Krieg
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