Dragon Sin: Roman (German Edition)
davonspazieren.«
»Du spazierst nicht davon. Ich befehle dir zu gehen.« Darüber musste Vigholf kichern, bis er unter dem Blick seines Bruders verstummte.
»Außerdem kannst du auf diese Weise nach Mutter sehen«, fügte Ragnar hinzu. Ihre Mutter war zu ihrer eigenen Sicherheit zusammen mit allen anderen Nordländer-Drachinnen in den Süden geschickt worden, als sich die Armee nach Euphrasia begeben hatte. Es war eine Entscheidung gewesen, die alle südländischen Drachinnen in größte Verwirrung gestürzt hatte. »Können sie etwa nicht kämpfen?«, hatte Bradana gefragt. »Den meisten von ihnen mag zwar ein Flügel fehlen, aber sie haben noch ihre Klauen und Beine.«
Obwohl Vigholf in Gedanken jederzeit mit seiner Mutter reden konnte, vermisste er ihre Gegenwart dennoch sehr. »Würdest du dich nicht besser fühlen, wenn du die Sergeantin im Auge behalten könntest? Damit sie in ihrem Zustand der Überarbeitung und Ermüdung keine allzu großen Fehler macht.«
Sein Bruder hatte recht. Schließlich befanden sie sich hier nicht in den Nordländern. Das Tal von Euphrasia lag viel näher an der Grenze. Sie konnten die Südländer und dann die Dunklen Ebenen ziemlich schnell erreichen, die Angehörigen der königlichen Familie absetzen und in wenigen Tagen wieder hier sein und die Eisendrachen besiegen. Ja. Das sollte klappen. Und auf der Reise konnten sie eine neue Waffe für die Babysitterin finden – eine Waffe, die besser zu ihrem Alter passte.
»Also gut. Wann brechen wir auf?«
»In einer Stunde«, sagte Keita. »Aber vergiss nicht – kein Wort, zu niemandem.«
»Und du verrätst mir auf dem Weg, worum es hier geht?«
»Das werde ich. Versprochen.«
Rhona traf die Drillinge an dem »sicheren Ort«, wie sie ihn für sich nannten. Es war der einzige Ort, an dem ihre Mutter gewiss nie auftauchte. Mit anderen Worten: die behelfsmäßige Bibliothek.
Rhona drängte die drei hinter einige Bücherstapel und sah sich noch einmal um.
»Was ist los, Rhona?«, fragte Edana.
»Gar nichts. Aber ich brauche euer Wort darauf, dass ihr niemandem das verratet, was ich euch gleich sagen werde.«
»Selbstverständlich nicht«, versprach Nesta. »Du weißt, dass du uns vertrauen kannst, Schwester.«
Sie lächelte die Drachinnen an, die sie zusammen mit ihrem Vater aufgezogen hatte. Von all ihren Geschwistern machten die Drillinge sie besonders stolz. Eines Tages würden sie mächtige Kriegerinnen und vielleicht sogar noch bessere Anführerinnen sein.
»Ich muss für ein paar Tage verreisen. Ich sollte nicht allzu lange weg sein.«
»Verreisen? Wohin?«
Bei Nestas Frage verdrehte sie die Augen ein wenig. »Ich muss die Prinzessin Keita auf ihrem Weg in die Südländer beschützen.«
Edana runzelte die Stirn. »Und das dürfen wir niemandem sagen? Warum denn nicht?«
»Ich habe keine Ahnung. Aber Keita hat mir verboten, mit irgendjemandem darüber zu reden.«
»Aber jetzt redest du doch mit uns darüber«, merkte Breena an und grinste. »Böse Drachin!«
»Ich weiß, ich weiß. Aber hier geht es um Keita. Wer kann schon sagen, was sie vorhat und warum sie der Ansicht ist, dass es geheim gehalten werden muss? Aber wenigstens wisst ihr drei Bescheid, falls etwas passieren sollte – vor allem für den Fall, dass Mum es herausfindet. Ich kann jetzt gar nicht gebrauchen, wenn sie glauben sollte, dass ich …«
»Eine Deserteurin bist?«
»Genau.«
Nesta schüttelte den Kopf. »Das weiß Mum doch.«
»Mag sein, aber im Augenblick ist sie etwas wütend auf mich. Deshalb will ich sie nicht noch mehr reizen.«
»Vernünftig«, stimmte Edana ihr zu. »Und wohin bringst du Keita?«
»Zurück in die Dunklen Ebenen.«
»Hui«, sagten die Drillinge gleichzeitig. »Dann wirst du ja Daddy sehen!«
Das brachte Rhona zum Lächeln. »Aye, das werde ich.« Seit Kriegsbeginn arbeitete ihr Vater in der Schmiede von Annwyl der Blutrünstigen. Es war eine gewaltige Schmiede, und ihrem Vater unterstanden viele weitere fähige Arbeiter, sowohl Drachen als auch Menschen. Es war ein angenehmer Ort für ihn, da er nicht allzu gut mit seiner Sippe im Berg Devenallt zurechtkam, in dem sich die Festung der Südländer-Drachen befand. Besondere Schwierigkeiten hatte er mit Onkel Bercelak; sie waren nie Freunde gewesen. »Ich bringe euch ein paar Waffen aus seiner Sammlung mit.«
Nesta und Breena klatschten in die Hände und jubelten unterdrückt, denn sie wussten genau, wie gut sich der Schall an den Höhlenwänden fortpflanzte.
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