Dragon Touch
gehört.
In letzter Zeit hatte sich die Lage aber verändert. Er war
zum ersten Mal erschienen, während sie an einem der Seen mit ihrem Speer geübt
hatte. Sie hatte versucht, ihn zu umarmen, aber sie reichte mit ihren Armen
nicht einmal ansatzweise um ihn herum, also hatte es damit geendet, dass sie
mehr oder weniger seinen riesigen Drachenhals gedrückt hatte. Sie hatten
stundenlang geredet, und Izzy hatte versprochen, niemandem zu sagen, dass er in
physischer Gestalt zu ihr gekommen war. Trotzdem kam es auch weiterhin vor,
dass seine Stimme ungebeten in ihrem Kopf auftauchte. Wie an diesem Morgen, als
er ihr gesagt hatte, dass es Zeit sei, dass Annwyls Kinder geboren würden.
Sie hatte Rhydderch Hael vor langer Zeit ihr Kinderherz
geschenkt. Und dann hatte sie ihm ihre Seele geschenkt, um ihre Mutter zu
retten.
»Wir bringen alle Opfer, kleine Izzy.«
»Du bist ein Arsch!«, schnauzte sie. »Ein richtiger
Arsch!«
Seine dunkelvioletten Augen blitzten auf, und sein Kopf
mit den zwölf Hörnern senkte sich ein bisschen. »Und ich bin immer noch der
Gott, dem du dein Leben geweiht hast. Deine Loyalität gilt mir.«
»Meine Loyalität gilt meiner Familie. Und sie sind meine
Familie. Du nicht.«
»Du sprichst gefährliche Worte, kleine Izzy.«
»Mir egal! Es ist mir egal, weil meine Königin stirbt! Und
das ist alles deine Schuld!« Sie wischte sich das Gesicht ab und merkte erst
jetzt, dass sie weinte. »Ich weiß, du bist ein Gott, und wir bedeuten dir
nichts. Aber denk daran, diese Babys sind deine Schöpfung. Keiner kann sie
beschützen wie ihre eigene Mutter, wie Annwyl. Keiner!«
Rhydderch Hael gähnte und entließ sie mit einer
Klauenbewegung. »Geh nach Hause, kleine Izzy.«
Sein schwarzer Drachenkörper schimmerte, und dann war er
fort. Und sie spürte den Verrat bis auf die Knochen.
Dagmar stand vor Gwenvaels Tür. Sie hatte schon dreimal
fast geklopft. Das sah ihr nicht ähnlich. Nicht zu wissen, wie sie mit etwas
umgehen sollte. Sie konnte mit allem umgehen. Doch sie wusste nicht, ob hineinzuschauen
… unangemessen wäre? Unangemessen schien ihr das beste Wort dafür zu sein.
Ihre eine gemeinsame Nacht bedeutete nicht mehr als sie
war.
Doch sie machte sich Sorgen um ihn. Alle schienen das
Ganze so schwerzunehmen. Selbst die Diener und die Soldaten. Auf dem Weg herein
war sie an der armen Izzy vorbeigekommen, die nach draußen gerannt war. Sie
hatte nicht einmal versucht, sie aufzuhalten, denn sie wusste, dass das Mädchen
seine Zeit brauchte, um damit zurechtzukommen.
Sie wusste, dass Gwenvael Annwyl liebte, und sie hatte das
beinahe überwältigende Bedürfnis, sich um ihn zu kümmern, was ihr absolut
lächerlich vorkam.
Abgesehen davon: Würde Gwenvael diese Art von Trost
überhaupt wollen? Zumindest von ihr?
Sie hasste dieses Gefühl: unsicher und verwirrt. Es passte
nicht zu ihr, aber sie nahm an, dass jeder solche Momente hatte.
Die Tür ging auf, und sie sah in Gwenvaels Gesicht hinauf.
»Wie lange willst du noch hier draußen stehen bleiben?«
»Ich wollte dich nicht stören. Ich wollte nur …«
Er nahm ihre Hand, zerrte sie in den Raum und knallte die
Tür zu. Dann zog er sie hinüber zum Bett und stieß sie darauf.
»Dreh dich auf die Seite«, befahl er. »Mit dem Gesicht zum
Fenster.«
»Na gut.« Sie tat, worum er sie bat, und das Bett gab ein
wenig nach, als Gwenvael, vollständig angezogen, hinter sie kroch. Sein Arm
legte sich um ihre Taille, und er rückte nahe an sie heran. Dann legte er das
Kinn an ihren Kopf, und so blieben sie beide liegen und starrten aus dem Fenster.
Keiner von beiden sprach oder rührte sich, und sie blieben
so liegen, bis am nächsten Morgen die Sonnen aufgingen.
25 Keita
die Tugendhafte – ein Name, den man ihr vor Kurzem gegeben hatte und der ihren
Bruder Gwenvael sich wie ein Küken vor Lachen auf dem Boden wälzen lassen
würde, wenn er ihm je zu Ohren kommen sollte – starrte hinaus auf die kalte,
harte Landschaft der Nordländer. Sie befand sich auf Hordenterritorium, stand
auf dem flachen Berggipfel des Verstecks der Olgeirsson-Horde, und alles, was
sie meilenweit in jede Richtung sehen konnte, waren weitere schneebedeckte
Berggipfel.
Aber jetzt steckte sie schon fast zwei Wochen hier fest …
bei diesen Drachen.
Sie hatte noch keinen Blitzdrachen getroffen, der kein
Barbar war. Abstoßende Manieren, widerwärtige Angewohnheiten und Gehirne von
der Größe von gekochten Erbsen. Jeder Tag war eine neue Erfahrung im Umgang
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