Dragon Touch
die Ferne, bevor sie
sich dem Blitzdrachen zuwandte, der hinter ihr stand. Er warf ihr einen halb
aufgegessenen Kadaver vor die Füße.
»Für dich«, sagte er grob.
Sie riss sich zusammen, um nicht aufzuseufzen und die
Augen zu verdrehen, doch sie setzte ihr süßestes Lächeln auf und achtete
darauf, dass ihre Reißzähne im Fackellicht funkelten. »Das ist ja so lieb von
dir«, sagte sie süßlich. »Gerade dachte ich, ich könnte ein bisschen hungrig
sein.«
Er trat näher. »Die Ehre findet in drei Tagen statt,
Mylady. Dann werde ich dich zu der Meinen machen.«
Sie senkte den Blick und schlenderte auf ihn zu.
»Deine Worte«, sagte sie dicht an seinem Ohr, als sie an
ihm vorbeiging und ihr Schwanz seine Brust hinaufglitt, »erregen mich, Mylord.«
Sie hörte sein Keuchen, wusste, dass er sie wollte. Es
überraschte sie nicht, als er sich plötzlich umdrehte, sie packte und an sich
zog, bis ihre Schuppen sich berührten. Er war viel größer als sie; sie musste
den Kopf zurücklegen, um ihn richtig sehen zu können.
»Ich werde dich zu der Meinen machen«, knurrte er.
»Lady Keita, ich …«
Der jüngere Blitzdrache blieb stehen, als Keita aus den
Armen des anderen zurückzuckte. Sie achtete darauf, dass sie verängstigt
wirkte, verwirrt – schwach.
Der Jüngere knallte sein Geschenk auf das des Älteren.
Keita blinzelte. Gute
Götter. Ist das ein Baum? Wer verschenkt denn einen Baum?
Sie konnte es kaum erwarten, Gwenvael diese Geschichte zu
erzählen.
»Du bescheißt, du Bastard!«
»Verschwinde, kleine Schlange. Willst doch nicht deinen
Kopf wegen was verlieren, das du sowieso nie kriegst.«
Der Jüngere – der noch lernen musste, seine Leidenschaften
zu zügeln, sei es Liebe oder Hass – ging auf seinen Bruder los.
Keita wich so weit zurück, wie sie mit der Kette konnte.
Doch wie sie erwartet hatte, lockte der Lärm der Schlägerei die anderen herbei.
»Was ist hier los?«, wollte einer der Älteren wissen.
»Er wollte sie vögeln! Ich hab ihn erwischt!«
Fast hätte sie laut losgelacht. Eingebildeter Haufen von
Blödmännern.
Doch je mehr von Olgeirs Brut sich einmischten, desto
brutaler wurde der Kampf, und die Wachen wurden gerufen. Sie bewegte sich auf
die Tür zu, als zwei Drachenwächter hereinrannten.
»Haltet sie auf, bitte!«, flehte sie. Sie hatte sie alle davon
überzeugt, dass sie nur das Beste für Olgeir und seine Sippe wollte – als ob es
sie auch nur im Geringsten interessierte. Sie stürmten vor, erst einer, dann
der andere. Keitas Schwanz peitschte um den Hals des Zweiten und riss ihn in
einem Winkel zurück, dass es ihm sauber das Genick brach. Ein hübscher Trick,
den sie von ihrem Vater gelernt hatte. »Du bist vielleicht kleiner als die
Männer«, hatte er immer gesagt, »aber du kannst ihr Gewicht und ihre Dummheit
gegen sie verwenden. Vergiss das nie.« Sie hatte es nicht vergessen.
Sie schnappte sich den Schlüsselring, der an seinem
Brustharnisch hing und schloss das Halsband um ihre Kehle auf.
Dann zog sie sich in die Schatten zurück und wartete,
während weitere Familienmitglieder angerannt kamen und sich ins Gefecht
stürzten. Immer näher schob sie sich an den Rand des flachen Berggipfels heran.
Sie genehmigte sich noch eine Sekunde, um zu genießen, wie ein Sprühnebel von
Blut den Boden zu bedecken begann, dann ließ sie sich rückwärts die Kante
hinunterfallen.
Lautlos fiel sie dem Boden entgegen, den Blick auf den
Punkt gerichtet, von dem sie eben entkommen war. Der Kampf ging weiter, doch es
kamen keine Rufe wegen ihres Verschwindens.
Grinsend drehte sich Keita in der Luft und entfaltete ihre
Schwingen. Die Kraft des Windes trug sie, und sie steuerte nach Süden.
Nichts hielt sie auf, als sie dicht über den Baumwipfeln
dahinschwebte. Irgendwann würden sie merken, dass sie fort war, und Späher
aussenden, um sie zu finden. Sie würde listig und schnell sein müssen, um ihnen
zu entkommen. Doch ihre Brüder brauchten sie, und sie würde sich nicht
aufhalten lassen.
Als sie den Fluss der Qual überflog, spürte sie, dass ihr
zwei männliche Drachen auf den Fersen waren. Sie flog, so gut sie konnte und
nutzte Bäume, Felsen und sogar Vögel, um sie sich vom Hals zu halten.
Doch sie waren hartnäckig. Entschlossen. Am Ende warfen
sie ein Netz über sie. Sie schnaubte nur, ihre Krallen rissen an dem weichen
Stoff. Doch als nichts passierte, blickte sie nach unten. Es war nicht ihre
Klaue, die sie sah … sondern ihre Hand.
»Was um aller
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