Dragon Touch
zurück. Die
Klinge stieß in die leere Brust der Minotaurin. Der Ochse starrte dümmlich
darauf hinab, was er getan hatte, dann wanderte sein Blick zu Annwyl. Ihr
Lächeln war wahnsinnig. Ein Mundwinkel verzog sich nach oben und sie sah mit
ihren grünen Augen durch das Gewirr ihrer Haare zu ihm auf.
»Verfehlt«, zischte sie, und der Minotaurus stolperte
rückwärts. Er hatte Angst. Er konnte es nicht verbergen, nicht vor seinen
Kameraden und nicht vor sich selbst. Zum ersten Mal in seinem Leben, da war
sich Dagmar sicher, hatte ein Eisländer Angst, und alle wussten es – denn sie
alle hatten auch Angst.
Angst, als sie zusahen, wie Annwyl den Griff des Schwertes
nahm, das noch in der Brust der Minotaurin steckte. Angst, als die kleine,
nackte Menschenfrau auf die Füße kam. Annwyl keuchte – nicht vor Anstrengung …
sondern vor Lust. Vor Verlangen. Das Verlangen nach Vernichtung. Dagmar hatte
so etwas noch nie vorher gesehen. Nicht so. Es war, als könnte die Kriegerin
jeden Moment einen Orgasmus bekommen, allein dadurch, dass sie so eine
Bedrohung darstellte.
Der irre Blick der Königin wanderte zu Dagmar, und der
Minotaurus hinter ihr senkte sein Schwert und entfernte sich. Er hielt die
Hände erhoben; seine Handflächen waren mit einem helleren, blasseren Fell
bedeckt als das braunweiße auf der Oberseite.
Gleichzeitig zogen sich die Minotauren zurück und
beobachteten Annwyl dabei ganz genau.
Annwyl benetzte sich die Lippen, ihr Keuchen wurde
schwerer, ihr Körper von Sekunde zu Sekunde erregter. Dann schrie sie; sie
schrie und die Minotauren rannten. Den Tunnel entlang, den sie gebaut hatten,
und hinaus ins Sonnenlicht, das sie selten sahen.
Und Annwyl? Sie war direkt hinter ihnen.
Fearghus hielt abrupt inne, und Gwenvael wäre beinahe in
ihn hineingeflogen. Sein Bruder drehte sich um, suchte mit wildem Blick die
Umgebung ab. Annwyls Pferd bäumte sich auf und wich nicht vom Fleck.
»Was? Was ist los?«
»Hört doch!«
Da hörte Gwenvael es. Etwas, von dem er gedacht hatte, er
werde es nie wieder hören. Den Kampfschrei der Blutkönigin.
»Da! Sie ist da!«
Und Annwyl war wirklich da – sie brach aus einem Loch
hervor, das in den Fuß eines kleinen Hügels gegraben war. Sie wurde aber nicht
gejagt; sie jagte selbst. Die Minotauren, die sie aufgescheucht hatte.
Mindestens neun Fuß hoch und sicherlich fast dreihundert Pfund schwerer als sie
selbst waren sie – und sie rannten. Doch sie holte rasch auf. Als er, Fearghus,
Briec und Bercelak fast hundert Fuß entfernt landeten, hatte Annwyl den Ersten
eingeholt. Sie schnitt ihm die Achillesferse durch, und er fiel nach vorn. Als
er sich auf den Rücken rollte, schlitzte sie ihm die Kehle auf, und ohne
innezuhalten hieb sie nach einem weiteren. Die Minotauren hatten gehofft, ihr
davonlaufen zu können, doch jetzt standen ihnen Drachen im Weg.
Briec holte Luft, bereit, sie alle mit Flammen auszulöschen,
doch Fearghus schüttelte den Kopf. »Nein. Lass nur.«
»Aber Annwyl wird nichts passieren.« Ein Geschenk ihrer
Mutter schützte Annwyl vor Drachenflammen. Das hatte ihr im Kampfgetümmel mehr
als einmal geholfen.
»Lass es«, sagte Fearghus noch einmal.
Die Minotauren merkten, dass sie nicht entkommen konnten,
und wirbelten herum, um sich Annwyl zu stellen. Dagmar hatte Fearghus
versichert, dass es mindestens fünfzig sein würden – ungefähr ein Dutzend war
noch von ihnen übrig, und diese griffen als Einheit an. Doch die Waffe, die Annwyl
trug – ein kurzes Schwert für einen Minotaurus, aber fast doppelt so lang wie
Annwyls eigenes Breitschwert –, blitzte im Sonnenlicht, als sie sich an die
Arbeit machte.
Es war ein brutaler Kampf; die Blutkönigin machte ihrem
Namen wieder einmal alle Ehre, als sie auf Arme, Beine und Köpfe einhackte. Die
Köpfe waren schwer abzuschlagen, also verstümmelte sie die meisten von ihnen
zuerst an den Gliedmaßen und ging dann von einem zum anderen, um ihnen den Rest
zu geben. Während ihre Brüder und ihr Vater zusahen, landeten Morfyd und
Rhianna mit Talaith und Izzy auf den Rücken. Dann kam der Cadwaladr-Clan an,
ließ sich vom Himmel fallen und sah zu, wie Annwyl tat, was sie schon immer am
besten gekonnt hatte.
Sie ging zu dem Letzten, der keine Beine mehr hatte, sich
aber trotzdem abmühte, davonzukommen. Sie setzte ihm einen Fuß auf den Rücken
und hielt ihn am Boden fest. Dann hob sie das Schwert mit beiden Händen und
ließ es auf seinen Nacken niedersausen. Der erste Schlag trennte ihm
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