Drahtzieher - Knobels siebter Fall
Industriegebiet?«
Wanninger schnaufte, zufrieden mit sich und gewiss, seine Zuhörer beeindruckt zu haben.
»Kommen wir nun zu der Villa Wolff, Herr Knobel. Wir wissen, dass der Hinweis auf diese Villa nicht von Lieke stammen kann. Das gilt sowohl für den Eintrag in dem Taschenkalender, von dem Sie berichten, als auch für den anonymen Brief, den ich erhalten habe. Diese Informationen erfolgten weit nach Liekes Tod. Wer auch immer sie jedoch über diese Medien auf den Weg gebracht hat, stellt einen Zusammenhang zwischen den dortigen Ereignissen und ihrem Tod her. Worum es bei dem obskuren Treffen in der Villa gehen sollte, wissen wir nicht. Aber ich habe den Verdacht, dass es möglicherweise um Absprachen zu eben jenem Thema gehen sollte, deren Inhalt aus guten Gründen im Verborgenen bleiben mussten.«
»Sie schließen das nur aus der Interpretation des Ihnen zugegangenen anonymen Briefes«, erwiderte Stephan. »Ist das nicht etwas gewagt? Außerdem war das Treffen in der Villa eben nicht geheim. Wer wirklich unentdeckt bleiben will, trifft sich dort, wo es keine Zeugen gibt.«
»Treffen jener Art, von denen wir gerade sprechen, spielen in einer anderen Liga als die Zusammenkunft von kleinen Ganoven, die ihren nächsten Bruch planen«, gab Wanninger süffisant zurück. »Sie müssen sich auf ungewöhnliche Gedanken einlassen, wenn Sie diesen in jeder Hinsicht mysteriösen Fall klären wollen. Es ist nicht von ungefähr, dass Sie bisher nicht mehr herausgefunden haben als das, was sich mit dem Eintrag in Liekes Taschenkalender unter dem 16. Dezember geradezu aufdrängte. Zugegebenermaßen konnten Sie allerdings mit Ihrem Informationsstand nicht auf die seltenen Erden stoßen. – Wissende Menschen sind selten auf der Erde«, zitierte er aus dem anonymen Brief. »Dann die klaren Hinweise auf die schwindenden Ressourcen. Deutlicher geht es kaum. Mein Riecher hat mich nur selten getäuscht, Herr Knobel!«
»Wofür brauchen Sie uns überhaupt, Herr Wanninger? Wenn es nicht täuscht, sind Sie doch der ganz großen Geschichte auf der Spur. Jetzt teilen Sie Ihr Wissen mit uns. Macht das ein Journalist, der sich auf der richtigen Fährte zu der großen Story wähnt?«, wunderte sich Marie.
Der Journalist lächelte milde.
»Wenn es die Geschichte ist, die es nach meiner Vermutung sein könnte, dann werde ich nicht allein recherchieren können. Ich brauche Hilfe. Wir werden die Erledigung von Aufgaben unter uns aufteilen müssen. Sie sitzen an diesem Fall und müssen ihn lösen, um die drängenden Fragen von Liekes Schwester zu beantworten – und ich sitze an diesem Fall, um die Wahrheit ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren. Es gibt bei genauer Betrachtung keine Überschneidungen, Frau Schwarz. Wir können uns wechselseitig nur von Nutzen sein. Seien Sie versichert, dass wir noch viel aufzuklären haben. Wen vermuten Sie denn hinter Friedemann Drauschner, Frau Schwarz?«, griff er ihre frühere Frage auf.
Als Marie nicht antwortete, sagte er: »Ich weiß es auch noch nicht, Frau Schwarz. Aber es gibt eine direkte Verbindung von ihm zu Lieke van Eyck. Dieser Ansicht ist jedenfalls derjenige, der Sie und mich unabhängig voneinander auf diese Spur gestoßen hat. Die Ungereimtheiten im Zusammenhang mit Liekes Tod sind Ihnen bekannt. – Meinen Sie wirklich, dass man das auf sich beruhen lassen kann? Es geht um die Wahrheit!«
Wanningers Stimme hatte sich gehoben. Er plädierte im Interesse seiner Klientel, der Öffentlichkeit, der er sich verpflichtet fühlte, obwohl Stephan genau merkte, dass es dem Journalisten insbesondere um die Lorbeeren ging, die er mit der Aufdeckung des vermuteten Skandals ernten könnte. Wanninger brauchte wieder einen Aufreißer, der ihn auf die ersten Seiten der großen Zeitungen und Magazine brachte. Er verfolgte eine ganz eigene Moral, die es ihm gestattete, einzudringen und aufzudecken. Was er rückhaltlose Aufklärung nannte, bezeichnete in Wahrheit sein Wesen als rücksichtsloser Schnüffler. Wanninger konterte, dass jede Form der Rücksicht letztlich nur eine Form der Parteilichkeit sei. Insofern mochte es auch keine Rolle spielen, dass das nebulöse Kartell zur Beschaffung der seltenen Erden, dessen Existenz Wanninger witterte und von dem Lieke van Eyck möglicherweise verhängnisvolle Kenntnis erlangt hatte, der heimischen Wirtschaft zum Vorteil sein könnte. Aber wäre es deswegen richtig zu schweigen? Wäre dies rücksichtsvoll oder vielmehr Lieke van Eyck gegenüber nicht
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