Drahtzieher - Knobels siebter Fall
deklarierte es als unschädliche Normalemission, während die betroffene Bevölkerung im Umkreis des Werkes, unterstützt von Umweltverbänden, das Werk heftig attackierte. Immer wieder musste man nach dem Fallout dieses Stoffes auf dem Lack vieler Autos Flecken und Verätzungen beklagen, und Gärtner beobachteten, dass in der Folge dieses Niederschlags Pflanzen eingingen und Nadelbäumchen sich verfärbten. Der Spur des über den Chemieniederschlag nachgewiesenen ungefähren Standortes von Liekes Fahrzeug vor dem Unfall nachzugehen, erschien Erfolg versprechender und vor allem sicherer als Wanningers Theorie, die glaubhaft und nachvollziehbar war, aber zunächst den Nachweis ihrer Richtigkeit schuldig blieb.
Der Journalist war in der Zwischenzeit abgetaucht. Stephan hatte ihn natürlich über den folgenschweren Einbruch auf dem Hof unterrichtet, doch Wanninger nahm diese Nachricht eigenartig zurückhaltend auf. Er sagte, dass er seine Ahnungen bestätigt sehe, aber er zeigte nicht einmal Interesse, sich auf dem Hof umzuschauen, obwohl Stephan das Einverständnis der van Eycks hierzu eingeholt hatte. Irgendwie wirkte in dem Journalisten der ereignislose Besuch in der Villa Wolff nach, den er zwar wie die anderen als einen von dem Einbrecher gelegten Köder verstand, um ungestört auf dem Hof wüten zu können. Aber ihn trieb die Frage um, woher Drauschner die detaillierten Ortskenntnisse in der Umgebung von Bomlitz besaß, nachdem er doch nach der bisherigen Annahme bei seinem ersten Besuch am 16. Dezember des letzten Jahres die Villa Wolff zielgerichtet vom Flughafen aus aufgesucht und diese ebenso zielstrebig mit unbekanntem, aber vermutlich entferntem Ziel wieder verlassen hatte. Der Fischteich lag zu weit abseits. Überdies dürfte er am Abend des 16. Dezember in der Dunkelheit nicht sichtbar gewesen sein. Welchen Bezug hatte Drauschner zu diesem Ort, zu dieser Gegend? Die von Drauschner veranlasste Fahrt zu dem Forstweg neben dem Fischteich passte nicht ins Bild und wollte sich nicht allein dadurch erklären, dass es dem Täter auf diese Weise gelungen war, die Abwesenheit der van Eycks von ihrem heimatlichen Hof um rund eine Stunde zu verlängern.
Wanningers Eifer war neu entfacht, als ihm Anfang Juni der Ausdruck eines Digitalfotos zugespielt wurde, den er zunächst akribisch für sich auswertete, im Detail vergrößerte und schließlich wie eine Trophäe an die Wand in seinem Büro neben die aktuelle Version des Titels seiner neuen Serie über alte Skandale hängte. Dann bestellte er Marie, Stephan und die van Eycks ein, beseitigte aus diesem Anlass sogar die gröbste Unordnung in seinem Büro und präsentierte sich konzentriert und abgeklärt, als er seine Gäste in seinen Räumlichkeiten, die er nun Studio nannte, platziert und dann effektvoll einen Strahler eingeschaltet hatte, der das Bild wirksam in Szene setzte. Es war 19 Uhr. Die Hitze des ausgehenden Tages lastete drückend auf allen, und der Strahler heizte den Raum noch weiter auf.
»Das Foto erreichte mich gestern mit der Post, anonym in Frankfurt abgesandt und deshalb mutmaßlich wie die vorherigen Briefe eine Botschaft meines Informanten«, begann er. Sein Gesicht glänzte im Scheinwerferlicht.
»Sie sehen drei Personen, genauer gesagt drei Männer irgendwo im Grünen. Vermutlich stehen sie im hohen Gras, jedenfalls aber nicht auf einem Weg. Im Vordergrund links sehen Sie, allerdings recht unscharf, Äste eines Baumes oder Strauchwerks. Der unbekannte Fotograf richtete die Kamera auf die Personen, nicht auf den Vordergrund, auf den es selbstredend nicht ankommt, der aber – das liegt nahe – den Fotografen decken sollte, sodass er quasi aus seinem Versteck heraus die Akteure ablichten konnte. Diesem Umstand ist es zugleich zuzuschreiben, dass die drei Männer nicht so fotografiert werden konnten, wie sich der Fotograf dies mutmaßlich gewünscht hat. Es gibt gewisse Unschärfen, insbesondere aber Schatten, schlechte Standpositionen und einen ungünstigen Lichteinfall, den man sicher vermieden hätte, wenn keine heimliche Aufnahme geschossen worden wäre.«
Wanninger stellte sich nun vor das Bild, betrachtete das Motiv fast liebevoll und mit demonstriertem Sachverstand, als müsse er sich ein weiteres Mal der Richtigkeit seiner Analyse vergewissern.
»Lassen Sie uns noch einen Augenblick bei dem Bildhintergrund verweilen«, fuhr er fort, trat zur Seite und kostete die spürbare Ungeduld seiner Zuhörer aus.
»Die Wiese, oder was immer es
Weitere Kostenlose Bücher