Drahtzieher - Knobels siebter Fall
seine Frau sollten erst nach Abschluss der Ermittlungen wieder das Gebäude betreten dürfen.
»Wir können Wanningers Informanten als Täter des Einbruchs doch eigentlich ausschließen«, überlegte er.
Stephan sah ihn fragend an.
»Wanninger geht doch davon aus, dass der Informant nichts Genaues weiß«, erklärte van Eyck. »Wenn das so ist, gab es für ihn keinen Anlass, hier erneut einzubrechen. Denn erstens hätte er bereits bei seinem ersten Einbruch in der Nacht vom 7. auf den 8. März genauer suchen können …«
»Aber er war nur in Liekes Wohnung«, unterbrach Stephan, »nicht in Ihrer und auch nicht im Büro.«
»Und warum geht er dann noch mal in Liekes Wohnung?«, fragte van Eyck. »Warum diese brutale Verwüstung, die er beim ersten Mal nicht angerichtet hat?«
»Vielleicht ist er enttäuscht, dass es nicht vorangeht«, fiel Stephan ein. »Wanninger tritt förmlich auf der Stelle. – Und zweitens?«
»Zweitens fällt einfach der zeitliche Zusammenhang zu dem Brief auf, den Anne auf Geheiß Wanningers an ThyssenKrupp geschrieben hat. Wenn der Einbruch hier eine Reaktion auf den Brief war, dann scheidet der Informant als Täter aus.«
»Es sei denn, er befindet sich im unmittelbaren Umkreis der Personen, die wir mit diesem Lockbrief eigentlich erreichen wollten«, entgegnete Stephan. »Diese Nähe ist sogar wahrscheinlich.«
Hermann van Eyck dachte eine Weile nach. Dann kümmerte er sich um seine Frau, die aus dem Auto ausgestiegen war und verstört in die Nacht starrte.
Die van Eycks gingen für diese Nacht in ein Hotel. Sie wären nicht auf dem Hof geblieben, selbst wenn es ihnen die Polizei gestattet hätte. Die Beamten arbeiteten mit Akribie und großem Personaleinsatz. Ein wenig schien es, als machte man sich den Vorwurf, den Einbruch vom 7. auf den 8. März, bei dem man lediglich Fußabdrücke und offensichtlich nicht dem Täter zuzuordnende Fingerabdrücke sicherstellen konnte, zu leicht genommen zu haben.
Marie und Stephan fuhren kurz nach Mitternacht nach Hause. Ihnen fröstelte, obwohl es im Auto nicht kalt war. Stephan spürte, dass die van Eycks einer Bedrohung ausgesetzt waren, gegen die er bisher nichts auszurichten wusste. Er schämte sich, all die Stunden vergütet zu bekommen, die er tatsächlich in dieser Sache aufwendete und die sich häufig in reiner Beobachtung erschöpften. Insgeheim beschloss er, bei der späteren Abrechnung einen erheblichen Abschlag zu gewähren.
11
Drei Tage später, am Mittwochmittag, kehrten die van Eycks auf den Hof zurück. Sie waren länger als notwendig im Hotel geblieben. Die Sicherung aller Spuren war bereits am Montag abgeschlossen worden. Es waren Fuß- und Fingerabdrücke und DNA-Spuren gefunden worden, die jedoch nicht zwangsläufig vom Täter stammten und nun der Auswertung harrten. Anne und Hermann van Eyck hatten sich bis zu jenem Mittwoch zurückgezogen, um sich neu zu orientieren. Der spontane Gedanke, den Hof endgültig zu verlassen, war zum festen Entschluss gereift. Die Rückkehr in das Haus war wie der Beginn des letzten Aktes, ein gründliches Aufräumen und großzügiges Wegwerfen. Die van Eycks würden nach Amsterdam gehen, die Unternehmensberatung von dort aus führen und gegebenenfalls sogar noch um einige inhaltliche Schwerpunkte erweitern. Anne van Eyck berichtete Stephan am Telefon von dem bevorstehenden Aufbruch.
»Wir werden Lieke in gewisser Weise hierlassen müssen«, sagte sie mit belegter Stimme.
Stephan erinnerte sich an den Baum, unter dem Lieke im Sommer so gern gelegen hatte. Das Bild hatte sich tatsächlich in ihm eingebrannt, wie Anne van Eyck es prophezeit hatte. Ihn beschlich eine Traurigkeit wegen des beabsichtigten Wegzugs der van Eycks, der eine verständliche Flucht war.
Marie hatte zwischenzeitlich mit dem chemischen Labor Kontakt aufgenommen, das in Wanningers Auftrag den dünnen Schmutzfilm auf dem Wrack des Fahrzeugs von Lieke van Eyck untersucht hatte. Die chemische Analyse war eindeutig und belegte in jedem Punkt das von Wanninger wiedergegebene Ergebnis. Liekes Fahrzeug stand ohne Zweifel am Abend des 12. September zwischen 19.30 Uhr und 21 Uhr im Umkreis der Cleanochem AG im Dortmunder Hafengebiet, als das Werk Siliciumdioxid emittierte, was in der betroffenen Umgebung wie Schnee auf die Erde gefallen war. Marie erfuhr, dass das Siliciumdioxid in Saucen, Suppen und Zahncremes Verwendung fand, Kosmetika geschmeidig und Pasten sämig machte. Das Werk emittierte häufiger Siliciumdioxid,
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