Drahtzieher - Knobels siebter Fall
sein Interesse, weiter informiert zu werden, soweit dies mit Stephans Mandat vereinbar sei.
»Ich habe Ihnen all dies nur gesagt, weil Anne van Eyck so nachdrücklich nach dem großen Unbekannten sucht«, betonte er. »Doch es scheint, als sei es ein Bekannter, der hier weiterhelfen kann.«
Ylberi verabschiedete sich galant und höflich. Er nahm seine Akte und verschwand über den Flur.
Marie und Stephan fuhren nachdenklich nach Hause. Es war ein klarer Frühsommerabend. Die Natur hatte nach den unwetterartigen Regengüssen, die auf die Erde gefallen waren, Kraft gewonnen. Bäume und Felder leuchteten in kräftigen Farben.
»Irgendwie hat sich jetzt alles verändert«, meinte Marie. »Wir hatten erwartet, dass die Übereinstimmung der Spuren auf dem Fensterwischer mit denen in den Räumlichkeiten der van Eycks die Einbrüche und Liekes Todesfahrt planvoll miteinander verknüpft, aber es scheint fast das Gegenteil einzutreten. Der Unfall steht wohl eher für sich und hat vielleicht irgendeine zufällige Verbindung zu einer Person, die im Hause der van Eycks bekannt war.«
Stephan dachte eine Weile nach. Tatsächlich hatte das Gespräch mit Schreiber und Ylberi einerseits in der Sache nicht die Brücke geschlagen, die sie sich erhofft hatten. Andererseits wussten weder die Polizei noch der Staatsanwalt etwas von der Hintergrundgeschichte, an die Gisbert Wanninger glaubte. Die neuen Erkenntnisse stellten die früheren Überlegungen nicht auf den Kopf, aber es blieb rätselhaft, warum Anne van Eyck nicht von sich aus über Umstände berichtet hatte, die im Zusammenhang mit dem Tod von Lieke doch eine Rolle spielen konnten.
Er rief seine Mandantin vom Auto aus an, berichtete ihr von dem Fund des Fensterwischers im Kofferraum von Liekes Wagen und dem Ergebnis der Spurenauswertung.
»Es muss einen Menschen geben, der mit Lieke an ihrem letzten Lebenstag vor dem Unfall Kontakt hatte und zugleich mit Ihrer Schwester, vielleicht auch mit Ihnen und Ihrem Mann persönlich bekannt war. Wer könnte das sein?«
Frau van Eyck stutzte. Stephan merkte, dass sie das Handy vom Ohr nahm, und er hörte, wie sie ihrem Mann die Neuigkeiten berichtete, der sich offensichtlich im Hintergrund befand.
Anne van Eyck nahm das Gespräch mit Stephan wieder auf.
»Wir können uns das nicht erklären, Herr Knobel«, versicherte sie. »Woraus schließt die Polizei denn, dass sich diese Person vor nicht allzu langer Zeit in unserem Büro beziehungsweise in Liekes Schlafzimmer befunden haben muss?«
»Ich nehme an, dass die Spuren recht frisch sind. Irgendwann werden Fingerabdrücke von anderen überlagert oder verlieren sich vielleicht sonst wie, ich weiß es nicht. Ich wiederhole nur, was mir gesagt wurde«, sagte Stephan.
Anne van Eyck gab die Information an ihren Mann weiter.
»Gab es jemanden, der Lieke vor einiger Zeit auf dem Hof besuchte?«, fragte Stephan, als Anne van Eyck schwieg. »Vielleicht im Zeitraum bis etwa drei Monate vor dem Unfall? Sie haben mir zu Anfang einmal erzählt, dass Lieke seit etwa zehn Jahren ohne Freund gewesen sei, aber immer eine neue Bekanntschaft gesucht habe. Hat sie jemanden mit nach Hause gebracht? Oder waren sonstige Freunde oder Bekannte zu Besuch? Frauen oder Männer, die bei Lieke im Schlafzimmer und auch in der Toilette Ihres Büros waren?«
»Nein«, antwortete Anne van Eyck. »Mein Mann und ich können uns keinen Reim auf diese Sache machen.«
Seine Mandantin wirkte verstört.
»Warum haben Sie mir nichts davon erzählt, dass Sie den Schrotthändler Swentowski dafür bezahlen, dass er Liekes Auto weiter verwahrt?«, fragte Stephan weiter.
Anne van Eyck räusperte sich erstaunt. »Das war doch nicht wichtig, Herr Knobel«, erwiderte sie erstaunt. »Sie wissen doch, dass ich daran zweifle, dass Liekes Tod ein bloßer Unfall war. Ich weiß, dass man damals das Auto genau untersucht hat. Aber kann ich wissen, ob wirklich alle Spuren gesichert wurden? Vielleicht wird man das Auto noch einmal im Detail überprüfen müssen, wenn wir genauer wissen, wer dahintersteckt. Ich zahle jeden Monat zehn Euro an Swentowski. Das ist mir die Sache wert. Sie können mich doch verstehen, oder?«
»Sicher«, gab Stephan zurück, »ich hätte es nur gern vorher gewusst. So ist es irgendwie merkwürdig.«
»Herr Knobel?«
»Ja?«
»Haben Sie plötzlich Zweifel? – Was ist denn auf dieser Polizeidienststelle passiert? Warum haben Sie mich nicht angerufen, als Sie diesen Wischer im Kofferraum gefunden haben?
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