Drake (German Edition)
schlichtweg ignoriert und jeder Versuchung widerstanden hatte. Für ihn war diese Frau ein faszinierendes Rätsel.
Er bemerkte ein leichtes Zögern, als sie sich ihm näherte. Einen Moment lang, schien es, als wolle sie ihm die Hand zur Begrüßung reichen, was angesichts der Umstände eine unpassende Geste gewesen wäre. Dann aber entschied sie sich zu einem einfachen Nicken und blieb neben Hoffmann stehen.
»Miss Mulholland brauche ich Ihnen ja vermutlich nicht vorzustellen«, sagte Hoffmann schlicht und nahm damit etwas die Spannung aus der Situation.
»Nein«, entgegnete Tamini. »Wir sind uns schon begegnet.« Sein angedeutetes Lächeln prallte wirkungslos an ihr ab.
Sie aktivierte ihren Frame und sagte: »Mr. Tamini, ich komme gerade von Dr. Hazel Connors MEDICAL . Sie hat mir unter anderem die Ergebnisse der Untersuchung ihrer Konstitution vorgelegt und die ist, soweit ich die Ärzte zitieren darf, ›absolut hammermäßig‹. Zum Beispiel die Veränderungen der Stickstoffisotopen oder eine außergewöhnlich hohe Anzahl des Proteins Myoglobin. Die Werte sind so ungewöhnlich, dass Connors MEDICAL die Ergebnisse mehrere Male neu gescannt hat. Können Sie uns etwas über diese Veränderungen sagen?«
»Nein«, winkte er ab. »Ich habe noch nie von einem Protein mit dieser Bezeichnung gehört.«
»Ich auch nicht, aber die medizinische Abteilung hat mir erklärt, dass man an diesen leistungsdiagnostisch relevanten Parametern ablesen kann, in welchem körperlichen Zustand Sie sich befinden. Ihre Werte übertreffen die eines Hochleistungssportlers um das Hundertfache. Laut den einstimmigen Aussagen der Doktoren müssten Sie bei diesem Energieüberschuss schon längst tot sein.«
Er sah sie geistesabwesend an. Ihre Kühle war also noch steigerungsfähig. Er fragte sich, ob sie ihren Vortrag auch in dieser Nüchternheit gehalten hätte, wenn sie mit ihm alleine gewesen wäre. Manche Sätze hatte sie emotionslos direkt vom Frame abgelesen.
»Glauben Sie mir, ich kann Ihnen dafür keinerlei Erklärungen bieten. Ich weiß nicht, was mit mir geschehen ist.« So allmählich ging ihm dieses Verhör auf die Nerven. Er hatte es nicht nötig, wie ein Verdächtiger behandelt zu werden. »Caitlyn, was wollen Sie eigentlich von mir? Ein Geständnis, dass ich vier Besatzungsmitglieder habe verschwinden lassen und einem weiteren dieses Ding in den Rücken gerammt habe, um mich anschließend nackt in einer Kammer zu verstecken?«
Sie ließ ihre Schultern fallen und warf Hoffmann einen fragenden Blick zu. Anscheinend hatte sie eingesehen, wie lächerlich ihre Fragerei war.
»Wieso haben Sie Pearl angeflogen?«, fragte Hoffmann. »Die Timeless hatte doch den Auftrag, die Zeitanomalie zu untersuchen.«
»Wohin ich mit meinem Schiff fliege und was ich mit meinem Schiff erledige, das dürfen Sie ruhig mir überlassen, Captain Hoffmann!«, antwortete er bissig. »Im Übrigen darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass mir auch die Unit Eleven zu einem nicht unbeträchtlichen Teil gehört. Das können Sie gerne in den Schiffschroniken nachlesen. Da Hyatt Sternberg anscheinend nicht anwesend ist, stehen Sie demnach ab sofort unter meinem Befehl, Captain Hoffmann! Oder wollen Sie mich in eine Zelle sperren?«
Hoffmann sah nicht besonders glücklich aus, aber er musste eingestehen, dass ihm keine andere Möglichkeit blieb, als Taminis Befehlen zu folgen. Unruhig rieb er seine Finger aneinander.
»Ich sehe keinen Sinn darin, Sie in eine Zelle zu sperren. Mir ist daran gelegen, die Besatzung zu schützen und weitere Tote zu vermeiden. Angesichts der Vorfälle sind wir wohl alle etwas angespannt. Wenn Ihnen noch etwas zur Klärung einfallen sollte, dann geben Sie mir Bescheid.« Er ging zur Tür und winkte Scott Cohen zu, ihm zu folgen.
Tamini registrierte mit Befriedigung, dass Hoffmann die Sache mit der Befehlsübertragung geschickt vermieden hatte. Was nichts anderes hieß, als dass er zustimmte. Scott Cohen hatte er mit voller Absicht mitgenommen, damit Caitlyn die Möglichkeit erhielt, mit ihm alleine zu sprechen.
»Puh, das ging ja schneller als erwartet«, sagte er zu Caitlyn Mulholland. »Ich hatte schon geglaubt, er will mir wegen McCoy und den anderen etwas anhängen.«
»Die Sache mit den vier Besatzungsmitgliedern ist sehr mysteriös«, antwortete sie. »Aber ich denke, McCoys wegen brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Wir sind schon auf Blue Boy auf einen Scrag gestoßen. Er muss sehr alt sein. Die Dinger
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