Drake (German Edition)
Verotroicx saß mit Victoria Lacey in dem einzigen Schwalbennest auf der Brücke der Timeless und sah dem geschäftigen Treiben der Mädchen interessiert zu. Von dem untertänigen Gehabe, das er zum Teil im großen Salon erlebt hatte, oder von dem kindischen Getue auf Blue Boy war bei ihnen nichts mehr zu bemerken. Ganz im Gegenteil, sie arbeiteten so konzentriert und so selbstbewusst, dass er sich fragte, ob er es mit ein und denselben Personen zu tun hatte.
Ihre Arbeitsweise war einfach, aber effizient. Es wurde kein überflüssiges Wort verloren. Für Verotroicx erschien sie fast schon zu steril. Er vermisste die derben Flüche der Controller oder die raren, aber aufheiternden Bemerkungen von Hoffmann.
Vic schien mit den gleichen Gedanken beschäftigt.
»Ich sage dir, die spielen uns hier eine Show vor«, flüsterte sie ihm zu. »Kein Hühnerhaufen, ganz gleich ob von der unteren oder oberen Stange, benimmt sich so wie die hier. Wenn die mal unter sich sind, dann fallen hier Sprüche, die treiben dir die Schamröte hinter die Ohren.«
Er konnte ein Grinsen nicht unterdrücken und hoffte, dass es von den Mädchen nicht bemerkt wurde.
Bis jetzt war die Situation auch alles andere als heiter zu bezeichnen. Alle Proteste vom ihm und insbesondere die sehr lauten Forderungen von Werfel, ihn sofort wieder zur Unit Eleven zurückzubringen, waren von Sternberg mit einer abwehrenden Handbewegung abgetan worden. Falls sie nicht kooperieren wollten, so könne er das verstehen, aber die Umstände machten es ihm unmöglich, ihren Wünschen zu entsprechen. Sie könnten sich aber ungehindert im Schiff bewegen oder in zugewiesene Kabinen zurückziehen, wenn sie es vorzögen. Es folgte noch die Warnung, jegliche Behinderung, gleich welcher Art, zu unterlassen. Natürlich würden sie nicht ohne eine strenge Beobachtung bleiben.
Strenge Beobachtung. Verotroicx wusste nun, was er damit meinte. Wahrscheinlich waren vorsorglich einige von den Supermädchen nur darauf abgestellt, jede Bewegung von ihm, Victoria oder Werfel genauestens zu analysieren. Da zog er es vor, lieber gleich im Brennpunkt des Geschehens zu bleiben.
Sternberg stand breitbeinig in der Mitte der Zentrale und beobachtete die Vorbereitungen zum bevorstehenden Durchgang. Verotroicx fragte sich, was in ihm vorging. Immerhin hatte er den Mut besessen, seine edlen Räume auf der Unit Eleven mit der Enge der Timeless zu tauschen, und das, um nach einem Planetensystem zu suchen, das nicht unbedingt seinen Vorstellungen entsprechen musste. Werfel hatte wiederholt versucht, ihm verständlich zu machen, dass Pearl nicht ohne Grund künstlich verhüllt und beschleunigt worden war. Seiner Meinung nach steckte eine hoch entwickelte Intelligenz dahinter, eine fremde Spezies, die seit Jahrtausenden diesen Prozess vorangetrieben hatte.
»Was glauben Sie denn, was Sie dort erwartet?«, hatte er Sternberg mit erhobener Stimme gefragt. »Eine jubelnde Menge, die nur auf Sie gewartet hat? Sie wissen doch noch nicht einmal, ob es eine humanoide Rasse ist. Vielleicht sind es Echsen, Insekten, Pflanzen, Kristalle oder gar rein mechanische Existenzen. Wir können froh sein, wenn wir ungeschoren davonkommen. Falls wir Pearl überhaupt erreichen. Das System rast mittlerweile mit einer Geschwindigkeit von mehr als neun Millionen Stundenkilometern durch das All. Um Pearl zu erreichen, müssen Sie die Timeless dieser Geschwindigkeit anpassen. Das schaffen Sie nicht, Herr Sternberg. Selbst wenn wir das System überholen, Pearl wird immer wie ein Geschoss an Ihnen vorbeifliegen!«
»Ich hätte Ihnen eigentlich mehr Begeisterung am Abenteuer zugetraut, Herr Werfel«, hatte Sternberg lächelnd geantwortet. »Und was die Geschwindigkeit betrifft, so machen Sie sich mal keine Sorgen. Elisabeth Regina hat alles genau durchgerechnet. Die Timeless schafft das.«
»Womit denn? Mit dem konventionellen Plasmatriebwerk? Damit brauchen Sie länger als zehn Jahre.«
»Haben Sie schon einmal etwas von einem gepulsten Dyson-Wandler gehört? Ich habe ihn kurz vor dem Start in das Schiff integrieren lassen. Schnelligkeit und Beschleunigungsandruck sind damit kein Problem. MOSES fungiert somit nicht nur als Überlichtantrieb, sondern auch als Schubtriebwerk für den einfachen Raumflug. Und das Wichtigste dabei ist: Es funktioniert! Sie werden es natürlich nicht bemerkt haben, aber Elisabeth hat den Antrieb in den letzten Stunden schon ausprobiert.« Er lächelte wieder süffisant. »Natürlich haben Sie
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