Drake (German Edition)
schätzte, dass Tamini mit einer Beteiligung zu den Auserwählten gehören würde, die als Erste einen fremden Planeten besiedelten – falls die Suche Erfolg hätte.
Verotroicx glaubte nicht daran.
Werfel auch nicht. Laut seiner Aussage konnte es in der Galaxis keine zweite Erde geben. Selbst Millionen von Möglichkeiten reichten nicht aus, um all die Bedingungen für einen Planeten zu erfüllen, wie es bei der Erde geschehen war.
Und wenn es doch solch einen Ort gab, dann war er bestimmt von wilden Primaten besiedelt, die Sternberg und seine Gespielinnen gefangen nahmen und in einem großen Topf kochten.
Er lächelte bei dem Gedanken. Eben das sollten er und seine Leute verhindern. Vielleicht nicht genau das, woran er gerade gedacht hatte, aber man konnte ja nicht wissen, was noch auf sie zukommen würde.
Eine Bewegung am Tisch ließ ihn aufschrecken. Victoria Lacey nahm mit einem breiten Grinsen Platz, begleitet von ihrem Frame, der sich wie ein treuer Hund rechts von ihrem Gesicht aufhielt. In der rechten Hand hielt sie eine übergroße Coke.
»Na, Commander, was bedeutet dieses glückliche Lächeln auf deinem Gesicht? Hast du ein Date mit Rühr-mich-nicht-an Mulholland HEAD ausgemacht?«
Er überging ihre anzügliche Frage und deutete auf ihren Frame.
»Haben dir deine Eltern nicht beigebracht, dass es unhöflich ist, bei Tisch den Frame aktiviert zu lassen?«
Sie verdrehte die Augen, sah ihn anschließend mit schmachtendem Blick an und begann zu singen:
Allein, allein.
Am Tag allein,
in der Nacht allein.
Aktiviere den Lync
und alles, alles
gut wird wieder sein!
Er winkte resignierend ab, nachdem sie ihm das alte Kinderlied mit süßlicher Stimme vorgetragen hatte. Seit Generationen schon sangen Eltern ihren Kindern diesen albernen Reim vor, um sie beizeiten daran zu erinnern, dass sie ihren kurz nach der Geburt implantierten Lync benutzen sollten, wenn sie Hilfe benötigten oder wenn es ihnen nicht gut ging. Im Allgemeinen aktivierte dieser erste Lync in ihrem Gehirn lediglich ein Rufsignal auf den Frames der Eltern. Nach der Implantation weiterer Lynx mit komplexeren Programmen konnte der Mensch von heute weitaus kompliziertere Vorgänge nur mithilfe von Gedankenimpulsen steuern. Die Aktivierung des persönlichen Frames war eine einfache Variante. Gerüchteweise gab es Menschen, die mit mehr als eintausend Lynx arbeiteten.
Verotroicx gehörte nicht dazu. Ihm war diese Art von Kontaktherstellung unheimlich, obwohl er schon seiner Tätigkeit wegen dazu verpflichtet war, Lynx implantieren zu lassen und sie auch zu benutzen. Trotzdem verließ er sich in den meisten Fällen lieber auf das gesprochene Wort. Bisher war er immer gut damit ausgekommen.
»Ich sehe schon, du stammst einfach aus einer anderen Generation«, meinte sie und ließ mit einem Augenzwinkern ihren Frame verschwinden.
Er lachte leise. Vic war 28, also keine zehn Jahre jünger als er selbst.
Wie alt mochte Caitlyn Mulholland sein? Bestimmt nicht viel älter als Vic, trotzdem lagen Welten zwischen den beiden. Kulturelle Welten.
»Hast du Werfel erreicht?«
Sie nuckelte an ihrer Coke und wedelte mit der Hand nach rechts.
»Natürlich. Hatte ihn eben gerade noch auf dem Frame. Erstaunlicherweise hat er nicht protestiert, als ich ihm von dem Abbruch der Expedition berichtet habe. Er befindet sich etwa 120 Kilometer von hier entfernt und kommt so schnell wie möglich. Wahrscheinlich hat er ebenfalls die Schnauze voll.«
»Eher nicht. Ich schätze, er weiß, dass Sternberg ungeduldig wird und die Reise fortsetzen will. Meiner Meinung nach hat er den Aufenthalt hier schon überzogen …« Er hielt einen Moment inne, als er glaubte, ein leises Schwanken zu spüren. Im ersten Augenblick dachte er, ihm wäre schwindlig, aber als er einen erstaunten Blick in Vics Gesicht wahrnahm, wusste er, dass dieses leichte Schlingern keine Einbildung gewesen war.
»Scheiße, was ist das? Ein Erdbeben?«, fragte sie erschrocken und legte die Hände auf den Tisch.
»Keine Ahnung.« Er zuckte leicht zurück, als um ihn herum zahlreiche Frames aufblinkten. Auch Victoria Lacey war von einem Moment zum anderen von mehreren Frames umringt.
Natürlich wollten alle in der Station wissen, was vor sich ging.
Verärgert über die unkoordinierte Aufdringlichkeit, schob er mit einer Handbewegung alle Frames beiseite, bis nur noch der Frame der Wache vor ihm stand. Winston Tcatzyck, seines unaussprechlichen Namens wegen kurz ›Katz‹ genannt, war zu sehen.
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