Drake (German Edition)
daraus ziehen. Auf die Anomalie müsste er seine Aufmerksamkeit richten. Die Sternsysteme auf der Linie sind lediglich Nebenprodukte. Bevor wir nicht wissen, was die Zeitanomalie darstellt, bewegen wir uns auf einer unsicheren Bühne. Sie ist der Schlüssel für die Entstehung dieser Welten.«
»Na schön, verstanden«, sagte sie mit ruhiger Stimme, um Werfel nicht noch mehr zu provozieren. »Aber die Anomalie können wir immer noch erforschen. Was ist überhaupt eine Zeitanomalie? Wie sieht so etwas denn aus?«
Er antwortete nicht sofort. Ihr war klar, dass er sie für nicht ganz zurechnungsfähig hielt, aber andererseits schien es ihm gutzutun, endlich einmal offen mit jemandem über seine Befürchtungen zu sprechen. Sie bemerkte jedoch sein Zögern, das Thema entweder ausführlich anzugehen oder seine Bemühungen aufzugeben, irgendjemanden von seinen Ansichten zu überzeugen.
Schließlich winkte er mutlos ab und wandte sich zum Gehen. »Fragen Sie George. Im Archiv gibt es eine umfassende Abhandlung und die entsprechenden Kommentare zur Anomalie. Ich habe keine Lust, Ihnen die komplizierten Vorgänge zu erklären. Jedenfalls nicht jetzt und nicht hier in diesen degenerierten Räumlichkeiten.«
Mit dieser verächtlichen Bemerkung über den innenarchitektonischen Geschmack der Sternbergs verließ er den Salon.
Caitlyn blieb konsterniert zurück.
Was für ein ungehobelter Klotz!
Immerhin begann sie zu ahnen, welches Problem dieser Mann mit sich herumtrug. Ihm fehlten Beweise. Er hatte aufgrund seiner wissenschaftlichen Fähigkeiten eine Ahnung, die für ihn Gewissheit war, konnte aber keine fundierten Beweise vorlegen. Und anstatt sachliche Argumente vorzubringen, verfiel er in seine charakterlichen Schwächen und klagte seine Umgebung der Unfähigkeit und Ignoranz an.
Raphael Werfel war ein wichtiger Mann an Bord, vielleicht sogar mit einer der wichtigsten, wenn man einmal von den Personen absah, die für den technischen Ablauf auf dem Schiff verantwortlich waren. Die Frage war, wie die gesellschaftliche Struktur der Unit Eleven eine Führungsperson verkraften würde, die in ihren charakterlichen Eigenschaften nicht hundertprozentig stabil war.
Caitlyn stand auf und ging zum Sternberg-Fenster hinüber. Vielleicht machte sie sich Gedanken in die falsche Richtung. Werfels Einwendungen waren nicht vollkommen von der Hand zu weisen, auch wenn er ihrer Meinung nach manches übertrieben darstellte.
Auf jeden Fall hatte er es geschafft, ihr Furcht einzuflößen, denn die kalten Lichter der Sterne, die sie durch das Fenster sah, wirkten auf einmal nicht sonderlich vertrauenerweckend. Ganz im Gegenteil. Plötzlich waren sie nicht bloß potenzielle Welten für die Zukunft. Noch verbarg sich hinter den Lichtern ein uninteressantes System wie Canova mit dem Planeten Safira, das sie nie näher kennenlernen würde, aber als was würden sich Hide Hellions Eye und Blue Boy präsentieren? Oder Pearl? Ganz zu schweigen von der Zeitanomalie.
Ihr wurde plötzlich kalt und sie begann zu frösteln.
Auf einmal fühlte auch sie die Angst.
7
f i = Planeten mit intelligentem Leben
Raphael Werfel saß in einem der Schwalbennester, wie die schmalen Nischen auf der Brücke der Unit Eleven genannt wurden. Hierher zogen sich die Controller des Schiffes für eine kurze Pause zurück, ohne die riesigen Frames an der Stirnseite der Brücke aus den Augen zu verlieren.
Es hatte ihn einige Überredungskunst bei Captain Hoffmann und ein paar Hinweise auf seine Bedeutung bei diesem Unternehmen gekostet, um seinen Aufenthalt in der NAVIGATION des Schiffes zu rechtfertigen.
Er wusste, Gäste wurden hier prinzipiell nicht gerne gesehen. Genau genommen war ihre Anwesenheit schlichtweg verboten, ganz gleich, um wen es sich dabei handelte. Sternberg wäre vielleicht eine Ausnahme gewesen, aber der hatte noch nie seine Stellung für einen Besuch auf der Brücke ausgenutzt. Dafür ging Caitlyn Mulholland wie selbstverständlich hier ein und aus. Als rechte Hand des Chefs konnte man ihr den Zutritt nicht verweigern. Auch Verotroicx wurde hier öfters gesehen, hielt sich jedoch angeblich nie länger als für ein paar Wortwechsel auf.
Ihm entfuhr ein hinterhältiges Grinsen. Beiden wäre wahrscheinlich nie in den Sinn gekommen, das Tabu zu brechen und eines der Schwalbennester aufzusuchen. Verotroicx und Mulholland besaßen eben nicht sein forsches Auftreten. Dazu fehlte ihnen das Gespür für die erforderliche Präsenz.
Er
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