Drake Schwestern 01-02 - Daemmerung des Herzens-06.07.12-OK
Geschehen zu lösen, das sich unter ihm abspielte. Der Nebel war
dicht und er waberte wüst, doch der Wind ließ in seinem Angriff nicht nach und
trieb ihn in faserigen Klumpen aufs Meer hinaus. Andernfalls hätte Matt gar
nichts gesehen. Jackson bahnte sich mit größter Sorgfalt einen Weg an der
senkrecht abfallenden Felswand hinab. Jonas band das Seil an einem sichereren
Halt hinter ihnen fest, außerhalb von Matts Sichtweite.
»Wir hier oben sind bereit, Jackson, gib uns
Bescheid«, rief Matt, als Jonas ihm bedeutete, das Seil könne jetzt gefahrlos
benutzt werden. »Elle, ich höre nichts von dir.« Er hatte wirklich keinen Ton
gehört. Kein Stöhnen, keinen Hilferuf. Es war hochgradig besorgniserregend. Er
glaubte zu sehen, dass sie sich aktiv an dem kümmerlichen Baum festhielt, der
aus der Klippenwand wuchs, doch je mehr er sich anstrengte, den Nebelschleier
mit seinen Blicken zu durchdringen, desto sicherer war er, dass Elle sich nicht
rührte.
Als Jackson sie erreichte, hielt Matt den Atem an
und wartete. Er fürchtete sich gleichermaßen vor der Antwort wie vor der
Stille. Sein Herzschlag übertönte das Tosen des Meeres.
»Sie lebt«, rief Jackson. »Sie hat eine schlimme
Beule auf der Stirn und sie ist von Kopf bis Fuß übel zugerichtet, aber sie ist
am Leben.«
Matt beugte sich weiter über den Klippenrand, um
besser hören zu können. Jacksons Stimme drang zu ihm hinauf. »Bleib ganz still
liegen und lass mich dich nach Knochenbrüchen abtasten. Ich bin Jackson Deveau,
der Deputy.«
»Dieser Felsvorsprung bröckelt ab.« Elles Stimme
bebte. »Jemand hat mich gestoßen. Ich habe niemanden kommen hören, aber sie
haben mich runtergestoßen.«
»Jetzt ist alles wieder gut. Rühr dich nicht. Dir
kann nichts mehr passieren.« Jacksons Stimme klang beschwichtigend. »Erinnerst
du dich noch an mich? Wir sind uns vor langer Zeit einmal begegnet.«
Als er Jacksons beruhigende Stimme hörte, begriff
Matt sofort, dass er nur auf sie einredete, damit sie sich nicht noch mehr
aufregte. »Jonas, ich glaube, Elle ist verletzt. Jacksons Verhalten lässt
darauf schließen.« Mit gesenkter Stimme teilte er dem Sheriff die Neuigkeiten
mit, denn ihm war klar, dass auch Jonas es kaum erwarten konnte, etwas über
Elles Zustand zu erfahren.
»Ich habe deine Stimme in einem Traum gehört«,
sagte Elle. Ihre Worte kamen so undeutlich heraus, dass Matts Herzschlag
stockte. »Du hattest Schmerzen. Grässliche Schmerzen. Jemand hat dich
gefoltert. Du warst in einem winzigen Kämmerchen. Ich kann mich noch deutlich
daran erinnern.«
Matt erstarrte. Hinter ihm war Jonas wie gelähmt,
da er Elles Worte offenbar auch gehört hatte.
»Dann weißt du ja, dass du bei mir in Sicherheit
bist. Du hast mir geholfen, als ich Hilfe brauchte. Und ich hole dich jetzt da
raus. So funktioniert das nun mal unter Seelenverwandten.«
Matt hatte noch nie erlebt, dass der wortkarge
Jackson zu irgendjemandem so viel auf einmal sagte. Er blickte hinter sich und
sah Jonas ins Gesicht. Der Nebel auf der Schnellstraße lichtete sich. Der Wind
kam jetzt in Böen, die gegen die Klippe trafen und davon abprallten, um den
dichten Dunst von Elle und Jackson fortzustoßen. Jackson redete nie über seine
Gefangennahme und auch nicht über die Behandlung, die er erfahren hatte. Er
sprach nie von der Flucht, die daraufhin erfolgt war, oder von den
Schwierigkeiten, die es ihm bereitet hatte, ein kleines, bunt
zusammengewürfeltes Grüppchen von Gefangenen durch die feindlichen Linien zu
ihrer Truppe zurückzuführen.
Es überraschte jedoch keinen von beiden, dass eine
Drake-Schwester über Einzelheiten Bescheid wusste, in die nicht einmal Matt und
Jonas eingeweiht waren.
»Kannst du dich beim Aufstieg an mir festhalten?«,
fragte Jackson. »Ich kann dich aber auch hochziehen lassen. Matthew Granite und
Jonas Harrington stehen oben in Bereitschaft und erwarten dich. Dabei wirst du
dir allerdings zwangsläufig ein paar weitere Prellungen zuziehen.«
»Ich würde mich sicherer fühlen, wenn ich mit dir
käme, aber es scheint, als verlöre ich zwischendurch immer wieder das
Bewusstsein. Dann ist plötzlich alles ganz weit weg«, antwortete Elle.
Matt spürte den Ruck am anderen Ende des Seils und
wusste, dass Jackson Elle festband.
»Wenn das so ist, klettern wir gemeinsam rauf«,
sagte Jackson. »Ich lasse nicht zu, dass dir etwas zustößt.«
»Ich weiß, dass du das niemals zulassen würdest.«
Elle schlang ihm die Arme um den Hals und kroch
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