Forgotten
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14. 10. (Do)
Klamotten:
– Jeans (die mit dem geraden Bein)
– dunkelblaue geblümte Tunika (war noch sauber, wieder in den Schrank gehängt)
– rote Ballerinas (aua, Blasen!)
Schule:
– Buch für Englisch nicht vergessen!
– Einverständniserklärung für Geschichte (Mom muss noch unterschreiben)
– morgen Spanischtest (steht nicht im Unterrichtsplan)
– Geschichts-Hausaufgaben noch mal Korrektur lesen … zu müde …
Sonstiges:
– tonnenweise Zucker gegessen (Mom hat Mint-Chip-Eiscreme mitgebracht!); SPORT MACHEN!
– Strumpfhose für Halloween bestellt
Sollen Freitage nicht eigentlich was Schönes sein?
Der hier fing gar nicht gut an.
Die Notizen auf meinem Nachttisch sagten mir rein gar nichts über den gestrigen Tag. Meine Augen waren wie zugeklebt, meine Lieblingsjeans lag zerknüllt in der Wäsche, und Milch war auch keine mehr im Kühlschrank.
Aber das Allerschlimmste: Mein Handy war tot. Mein schönes glänzendes bonbonrotes Handy, das ich noch eine Ewigkeit lang haben werde – beziehungsweise so lange, bis es mir irgendwann in den Gully fällt. Es verfügt über einen Kalender und eine Erinnerungsfunktion und ist im Wesentlichen so was wie meine als Telekommunikationsgerät getarnte Rettungsleine. Mein tragbares Gedächtnis.
»Du schaffst das schon«, meinte Mom während der Fahrt zur Schule.
»Woher willst du das wissen? Vielleicht schreiben wir heute eine total wichtige Mathearbeit. Oder wir haben eine Schulversammlung, von der ich nichts weiß!«
»Es ist nur ein Tag, London. Du wirst doch wohl einen Tag ohne dein Handy auskommen.«
»Du hast leicht reden«, maulte ich und starrte aus dem Fenster.
Jetzt und hier, in der Mädchenumkleide wenige Minuten vor Beginn der Sportstunde, habe ich den Beweis: Meine Mutter hatte unrecht. Ich kann eben nicht einen Tag ohne Handy auskommen.
Heute hätte ich nämlich sehr gut ein frisches T-Shirt brauchen können. Und mein Handy, in das meine Mom und ich zu Beginn des Schuljahres all diese wichtigen Kleinigkeiten einprogrammiert haben, hätte mich daran erinnert, eins mitzubringen. Wenn es nicht abgeschmiert wäre.
Stattdessen stehe ich nun in ultrakurzen Shorts und meinem Winterpulli vor meinem Spind und frage mich, was ich tun soll. Shorts! Warum ich Shorts im Spind hatte und nicht irgendein wärmeres, tragbareres Kleidungsstück, wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben.
Eins steht jedenfalls fest: In diesem Aufzug kann ich auf gar keinen Fall Basketball spielen. (Denn das steht, wie ich der Tafel neben der Umkleide entnommen habe, heute auf dem Programm.) Also überwinde ich mich und frage Page Thomas, ob sie mir vielleicht ein Oberteil leihen könnte. Soweit ich weiß, kennen wir uns nicht besonders gut, und wir werden auch nie wirklich Freundinnen werden, trotzdem reagiert sie geradezu überschwänglich auf meine Bitte. »Aber klar, London! Hast schon wieder dein T-Shirt vergessen, was?«
Schon wieder?
Notiz an mich selbst: Unbedingt fürs nächste Mal aufschreiben, dass ich andauernd meine Shirts vergesse! Wieso stand eigentlich in meinen Aufzeichnungen für heute nichts davon?
Page unterbricht meinen Gedankengang, indem sie mir mit einem strahlenden Lächeln ein T-Shirt reicht. Und nicht irgendein T-Shirt. Es ist knallgelb, oversized und vorne mit einer grinsenden Katze bedruckt, die sagt: »What a purr-fect day!«
»Danke«, nuschle ich, nehme das Shirt und ziehe es mir über. Es geht bis über die Shorts.
Notiz an mich selbst: »neue Sporthose mitbringen« zur Notiz an mich selbst hinzufügen!
Ich habe das Gefühl, dass Page mich beobachtet. Ich schiele vorsichtig zu ihr rüber – ja, sie beobachtet mich. Keine Ahnung, warum. Ich nicke ihr kurz zu, bevor ich meine Straßenklamotten in den Spind stopfe, die Tür zuwerfe und mich auf den Weg in die Turnhalle mache.
Unterwegs gehen mir zwei Gedanken durch den Kopf. Erstens frage ich mich, ob Miss Martinez mir wohl erlauben wird, die Schulkrankenschwester zu besuchen und mir ein Pflaster für die Blase an meiner linken Ferse zu besorgen, die bei jedem Schritt gegen die Innenseite meines Turnschuhs schabt. Und zweitens danke ich dem Himmel, dass nur die zwölf anderen glücklosen Seelen mit Sport in der ersten Stunde mich in diesem unterirdischen Outfit zu Gesicht bekommen werden.
Zu meinem Pech erweist sich die Martinez als durch und durch hartherzige Frau.
»Nein«, sagt sie schlicht, als ich sie vor dem Unterrichtsbeginn frage, ob ich kurz zur Schwester gehen
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