Drake Schwestern 01-02 - Daemmerung des Herzens-06.07.12-OK
und schlief. Er stand
schon seit einiger Zeit da und lehnte an der Wand, um über ihren Schlaf zu
wachen. Sie zu beschützen. Das klang ziemlich albern und melodramatisch, wenn
man bedachte, dass sie diejenige war, die eine Waffe trug und eine gründliche
Ausbildung absolviert hatte, aber das Wachen über sie erschien ihm so notwendig
wie das Atmen.
Woher waren fast über Nacht derartig starke Gefühle
gekommen? Konnte ein Mann so schnell tiefe Liebe für eine Frau empfinden? Sie
war alles, was er sich jemals ausgemalt oder erträumt hatte, und noch viel
mehr. Wie hätte jemand Sarah nicht lieben können, Sarah mit ihrem Mitgefühl,
ihrer Toleranz und ihrem Verständnis? Die Leute hier in der Stadt lagen ihr
wirklich am Herzen. Irgendwie schienen ihre intensiven Empfindungen auf ihn
abzufärben.
Sie hätte tot sein können. Dieser Gedanke traf ihn
wie ein Schlag in die Magengrube. Wieder einmal fragte er sich, wie es wohl
möglich war, so viel für einen Menschen zu empfinden, den er erst so kurze Zeit
kannte. Sein ganzes Leben lang hatte er seine Mitmenschen kaum wahrgenommen,
ganz zu schweigen davon, dass er sich um sie gesorgt hätte. Wieso hätte ihm das
Leben anderer am Herzen liegen sollen? Aber von dem Moment an, als er gehört hatte,
wie der Wind ihren Namen flüsterte, hatte er tief in seinem Innern gewusst,
dass Sarah sein Leben für alle Zeiten verändern würde.
Ihre gemeinsamen Spaziergänge, die Aufenthalte am
Strand oder die Geheimnisse, die sie sich abwechselnd in seinem und in ihrem
Haus flüsternd anvertraut hatten, ja, sogar die Stunden, die sie gemeinsam mit
ihrer Familie verbracht hatten - all das hatte seine Gefühle für sie noch
stärker werden lassen.
Sarah schlug die Augen auf und das Erste, was sie
sah, war Damons Gesicht. Er lehnte an der gegenüberliegenden Wand und schaute
sie einfach nur an. Sie konnte seinen Gesichtsausdruck deutlich sehen,
unverhohlenes Verlangen, in das sich das Wissen um ihre gemeinsame Zukunft
eingeschlichen hatte. Seine Gefühle waren unverfälscht und zügellos und so
echt, dass ihr Tränen in die Augen traten.
Sie hielt ihm ihre Hand hin. »Steh nicht so allein
dort drüben herum. Du bist nicht mehr allein und ich bin es auch nicht mehr.«
Er hörte die Verlockung, die in ihrer Stimme
mitschwang, und sein Körper regte sich voller Erwartung. Trotzdem blieb er an
der Wand stehen und sog ihren Anblick in sich auf. Sein Begehren spielte sich
auf so vielen Ebenen ab, die nicht nur rein körperlich waren.
»Das warst du doch nie, Sarah. Du bist nie wirklich
allein gewesen. Du brauchst mich nicht so, wie ich dich brauche. Du hast eine
Familie, auf deren Liebe und Wärme und Unterstützung du immer zählen konntest.
Ich dagegen habe mir nie Gedanken über den Wert von Angehörigen und
bedingungsloser Zuneigung gemacht. Einen Tag gemeinsam mit jemandem zu
verbringen, aus dem man sich etwas macht, ist alles Gold auf Erden wert. Das
wusste ich jedoch nicht, bevor ich dir begegnet bin.«
Sie setzte sich auf und musterte ihn mit ihrem
kühlen Blick, um sich ein Urteil zu bilden. Und ihr gefiel, was sie sah. Damon
wusste nicht, warum, aber er konnte es ihr deutlich ansehen. »Wenn das so ist,
bin ich froh, dass ich dir ein solches Geschenk machen konnte, Damon. Meine
Familie ist mein kostbarster Schatz auf Erden.«
Er nickte. Wie es wohl sein würde, morgens
aufzuwachen und Tag für Tag ihre Stimme zu hören? Ihre Stimme enthielt immer
eine Liebkosung, die er auf seiner Haut spüren konnte, ganz so, als streichelte
sie ihn. »Und du bist mein kostbarster Schatz auf Erden, Sarah. Ich habe nicht
einmal geahnt, dass ich so viel für einen Menschen empfinden kann.«
Sarah lächelte. Es war ein ganz besonderes Lächeln,
das ausschließlich ihm vorbehalten zu sein schien. Es ließ ihr Gesicht strahlen
und ihre Augen leuchten, aber dazu kam noch, dass dieses Lächeln etwas in ihm
entfachte und eine undefinierbare Glut in seinem Innern nach sich zog. »Du hast
mich zum Leben erweckt, Sarah. Durch dich hat mein Leben erst richtig begonnen.
Bevor ich dir begegnet bin, führte ich eine bloße Existenz, ein unausgefülltes
Dasein, aber gelebt habe ich nicht.«
»Oh, doch, Damon, du hast gelebt. Du bist brillant.
Die Dinge, die du dir ausgedacht hast, haben unsere Welt zu einem sichereren
Ort gemacht. Ich sehe doch, wie sich dein Gesicht aufhellt, wenn du mir von
neuen Ideen erzählst, die dir durch den Kopf gehen, und dir die Chancen
ausrechnest, sie in die Praxis umzusetzen.
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