Dramatische Werke
verwechselt. Du bist, sagt' ich oft zu mir selbst, ja, du bist der ganze Karl, sein Echo, sein Ebenbild!
Amalia (schüttelt den Kopf).
Nein, nein, bei jenem keuschen Lichte des Himmels! kein Äderchen von ihm, kein Fünkchen von seinem Gefühle –
Franz.
So ganz gleich in unsern Neigungen – die Rose war seine liebste Blume – welche Blume war mir über die Rose? Er liebte die Musik unaussprechlich, und ihr seid Zeugen, ihr Sterne! ihr habt mich so oft in der Todtenstille der Nacht beim Claviere belauscht, wenn Alles um mich begraben lag in Schatten und Schlummer – und wie kannst du noch zweifeln, Amalia, wenn unsere Liebe in einer Vollkommenheit zusammentraf, und wenn die Liebe die nämliche ist, wie könnten ihre Kinder entarten?
Amalia (sieht ihn verwundert an).
Franz.
Es war ein stiller, heiterer Abend, der letzte, eh' er nach Leipzig abreiste, da er mich mit sich in jene Laube nahm, wo ihr so oft zusammensaßet in Träumen der Liebe – stumm blieben wir lang – zuletzt ergriff er meine Hand und sprach leise mit Thränen: ich verlasse Amalia, ich weiß nicht – mir ahnet's, als hieß' es auf ewig – verlaß sie nicht, Bruder! – sei ihr Freund – ihr Karl – wenn Karl – nimmer – wiederkehrt – (er stürzt vor ihr nieder und küßt ihr die Hand mit Heftigkeit.) Nimmer, nimmer, nimmer wird er wiederkehren, und ich hab's ihm zugesagt mit einem heiligen Eide!
Amalia (zurückspringend).
Verräther, wie ich dich ertappe! In eben dieser Laube beschwur er mich, keiner andern Liebe – wenn er sterben sollte – Siehst du, wie gottlos, wie abscheulich du – Geh aus meinen Augen!
Franz.
Du kennst mich nicht, Amalia, du kennst mich gar nicht!
Amalia.
O ich kenne dich, von jetzt an kenn' ich dich – und du wolltest ihm gleich sein? Vor dir sollt' er um mich geweint haben? vor dir? Ehe hätt' er meinen Namen auf den Pranger geschrieben! Geh den Augenblick!
Franz.
Du beleidigst mich!
Amalia.
Geh, sag' ich. Du hast mir eine kostbare Stunde gestohlen, sie werde dir an deinem Leben abgezogen.
Franz.
Du hassest mich.
Amalia.
Ich verachte dich, geh!
Franz (mit den Füßen stampfend).
Wart! so sollst du vor mir zittern! Mich einem Bettler aufopfern? (Zornig ab.)
Amalia.
Geh, Lotterbube – Jetzt bin ich wieder bei Karl – Bettler, sagt er? so hat die Welt sich umgedreht, Bettler sind Könige, und Könige sind Bettler! – Ich möchte die Lumpen, die er anhat, nicht mit dem Purpur der Gesalbten vertauschen – Der Blick, mit dem er bettelt, das muß ein großer, ein königlicher Blick sein – ein Blick, der die Herrlichkeit, den Pomp, die Triumphe der Großen und Reichen zernichtet! In den Staub mit dir, du prangendes Geschmeide! (Sie reißt sich die Perlen vom Hals.) Seid verdammt, Gold und Silber und Juwelen zu tragen, ihr Großen und Reichen! Seid verdammt, an üppigen Mahlen zu zechen! Verdammt, euren Gliedern wohl zu thun auf weichen Polstern der Wollust! Karl! Karl! so bin ich dein werth – (Ab.)
Zweiter Akt.
Erste Scene.
Franz von Moor nachdenkend in seinem Zimmer.
Franz.
Es dauert mir zu lange – der Doctor will, er sei im Umkehren – das Leben eines Alten ist eine Ewigkeit! – Und nun wär' freie, ebene Bahn bis auf diesen ärgerlichen zähen Klumpen Fleisch, der mir, gleich dem unterirdischen Zauberhund in den Geistermärchen, den Weg zu meinen Schätzen verrammelt.
Müssen denn aber meine Entwürfe sich unter das eiserne Joch des Mechanismus beugen? – Soll sich mein hochfliegender Geist an den Schneckengang der Materie ketten lassen? – Ein Licht ausgeblasen, das ohnehin nur mit den letzten Öltropfen noch wuchert – mehr ist's nicht – Und doch möcht' ich das nicht gern selbst gethan haben, um der Leute willen. Ich möcht' ihn nicht gern getödtet, aber abgelebt. Ich möcht' es machen wie der gescheidte Arzt, nur umgekehrt. – Nicht der Natur durch einen Querstreich den Weg verrannt, sondern sie in ihrem eigenen Gange befördert. Und wir vermögen doch wirklich die Bedingungen des Lebens zu verlängern, warum sollten wir sie nicht auch verkürzen können?
Philosophen und Mediciner lehren mich, wie treffend die Stimmungen des Geists mit den Bewegungen der Maschine zusammenlauten. Gichtrische Empfindungen werden jederzeit von einer Dissonanz der mechanischen Schwingungen begleitet – Leidenschaften mißhandeln die Lebenskraft – der überladene Geist drückt sein Gehäuse zu Boden – Wie denn nun? – Wer es verstünde, dem Tod diesen ungebahnten Weg in
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