Dramatische Werke
endlich vor ihm stehen).
Was hat er dir zu Leid gethan? Was haben
Die unschuldsvollen Bande dir gethan,
Die du mit höllischer Geschäftigkeit
Zu reißen dich beeiferst?
Lerma.
Prinz, ich ehre
Den Schmerz, der Sie unbillig macht.
Carlos.
O Gott!
Gott! – Gott! Bewahre mich vor Argwohn!
Lerma.
Auch
Erinnr' ich mich des Königs eigner Worte:
Wie vielen Dank, sagt' er, als ich herein trat,
Bin ich für diese Neuigkeit Euch schuldig!
Carlos.
O stille! stille!
Lerma.
Herzog Alba soll
Gefallen sein – dem Prinzen Ruy Gomez
Das große Siegel abgenommen und
Dem Marquis übergeben sein –
Carlos (in tiefes Grübeln verloren).
Und mir verschwieg er!
Warum verschwieg er mir?
Lerma.
Der ganze Hof
Staunt ihn schon als allmächtigen Minister,
Als unumschränkten Günstling an –
Carlos.
Er hat
Mich lieb gehabt, sehr lieb. Ich war ihm theuer,
Wie seine eigne Seele. O, das weiß ich –
Das haben tausend Proben mir erwiesen.
Doch sollen Millionen ihm, soll ihm
Das Vaterland nicht theurer sein als Einer?
Sein Busen war für einen Freund zu groß,
Und Carlos' Glück zu klein für seine Liebe.
Er opferte mich seiner Tugend. Kann
Ich ihn drum schelten? – Ja, es ist gewiß!
Jetzt ist's gewiß. Jetzt hab' ich ihn verloren.
(Er geht seitwärts und verhüllt das Gesicht.)
Lerma (nach einigem Stillschweigen).
Mein bester Prinz, was kann ich für Sie thun?
Carlos (ohne ihn anzusehen).
Zum König gehen und mich auch verrathen.
Ich habe nichts zu schenken.
Lerma.
Wollen Sie
Erwarten, was erfolgen mag?
Carlos (stützt sich auf das Geländer und sieht starr vor sich hinaus).
Ich hab' ihn
Verloren. O, jetzt bin ich ganz verlassen!
Lerma (nähert sich ihm mit theilnehmender Rührung).
Sie wollen nicht auf Ihre Rettung denken?
Carlos.
Auf meine Rettung? – Guter Mensch!
Lerma.
Und sonst,
Sonst haben Sie für Niemand mehr zu zittern?
Carlos (fährt auf).
Gott! Woran mahnen Sie mich! – Meine Mutter!
Der Brief, den ich ihm wieder gab! ihm erst
Nicht lassen wollte und doch ließ!
(Er geht heftig und die Hände ringend auf und nieder.)
Womit
Hat sie es denn verdient um ihn? Sie hätt' er
Doch schonen sollen. Lerma, hätt' er nicht?
(Rasch entschlossen.)
Ich muß zu ihr – ich muß sie warnen, muß
Sie vorbereiten – Lerma, lieber Lerma –
Wen schick' ich denn? Hab' ich denn Niemand mehr?
Gott sei gelobt! Noch einen Freund – und hier
Ist nichts mehr zu verschlimmern. (Schnell ab.)
Lerma (folgt ihm und ruft ihm nach).
Prinz! Wohin? (Geht ab.)
Vierzehnter Auftritt.
Die Königin. Alba. Domingo .
Alba.
Wenn uns vergönnt ist, große Königin –
Königin.
Was steht zu Ihren Diensten?
Domingo.
Redliche Besorgniß
Für Ihre königliche Majestät
Erhabene Person erlaubt uns nicht,
Bei einem Vorfall müßig still zu schweigen,
Der Ihre Sicherheit bedroht.
Alba.
Wir eilen,
Durch unsre zeit'ge Warnung ein Komplott,
Das wider Sie gespielt wird, zu entkräften –
Domingo.
Und unsern Eifer – unsre Dienste zu
Den Füßen Ihrer Majestät zu legen.
Königin (sieht sie verwundernd an).
Hochwürd'ger Herr, und Sie, mein edler Herzog,
Sie überraschen mich wahrhaftig. Solcher
Ergebenheit war ich mir von Domingo
Und Herzog Alba wirklich nicht vermuthend.
Ich weiß, wie ich sie schätzen muß – Sie nennen
Mir ein Komplott, das mich bedrohen soll.
Darf ich erfahren, wer – –
Alba.
Wir bitten Sie,
Vor einem Marquis Posa sich zu hüten,
Der für des Königs Majestät geheime
Geschäfte führt.
Königin.
Ich höre mit Vergnügen,
Daß der Monarch so gut gewählt. Den Marquis
Hat man mir längst als einen guten Menschen,
Als einen großen Mann gerühmt. Nie ward
Die höchste Gunst gerechter ausgetheilt –
Domingo.
Gerechter ausgetheilt? Wir wissen's besser.
Alba.
Es ist längst kein Geheimniß mehr, wozu
Sich dieser Mensch gebrauchen lassen.
Königin.
Wie?
Was wär' denn das? Sie spannen meine ganze
Erwartung.
Domingo.
Ist es schon von lange,
Daß Ihre Majestät zum letzten Mal in Ihrer
Schatulle nachgesehen?
Königin.
Wie?
Domingo.
Und haben
Sie nichts darin vermißt von Kostbarkeiten?
Königin.
Wie so? Warum? Was ich vermisse, weiß
Mein ganzer Hof – Doch Marquis Posa? Wie
Kommt Marquis Posa damit in Verbindung?
Alba.
Sehr nahe, Ihre Majestät – dann auch
Dem Prinzen fehlen wichtige Papiere,
Die in des Königs Händen diesen Morgen
Gesehen worden – als der Chevalier
Geheime Audienz gehabt.
Königin (nach einigem Nachdenken).
Seltsam,
Bei Gott! und äußerst
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