Dramatische Werke
Unwille sein, wie des Selbstmörders, wenn er den tödtlichen Streich schon gethan hat und bereut; es wird ein Blitz sein, der die Mitternacht Eures Lebens zumal überflammt; es wird ein Blick sein, und wenn Ihr da noch feste steht, so sollt Ihr gewonnen haben!
Franz (unruhig im Zimmer auf und ab gehend).
Pfaffengewäsche, Pfaffengewäsche!
Moser.
Jetzt zum erstenmal werden die Schwerter einer Ewigkeit durch Eure Seele schneiden, und jetzt zum Erstenmal zu spät. – Der Gedanke Gott weckt einen fürchterlichen Nachbar auf, sein Name heißt Richter . Sehet, Moor, Ihr habt das Leben von Tausenden an der Spitze Eures Fingers, und von diesen Tausenden habt Ihr Neunhundertneunundneunzig elend gemacht. Euch fehlt zu einem Nero nur das römische Reich, und nur Peru zu einem Pizarro. Nun glaubt Ihr wohl, Gott werde es zugeben, daß ein einziger Mensch in seiner Welt wie ein Wüthrich hause und das Oberste zu unters kehre? Glaubt Ihr wohl, diese Neunhundertundneunundneunzig seien nur zum Verderben, nur zu Puppen Eures satanischen Spieles da? Oh, glaubt das nicht! Er wird jede Minute, die Ihr ihnen getödtet, jede Freude, die Ihr ihnen vergiftet, jede Vollkommenheit, die Ihr ihnen versperrt habt, von Euch fordern dereinst, und wenn Ihr darauf antwortet, Moor, so sollt Ihr gewonnen haben.
Franz.
Nichts mehr, kein Wort mehr! Willst du, daß ich deinen schwarzlebrigen Grillen zu Gebote steh'?
Moser.
Sehet zu, das Schicksal der Menschen steht unter sich in fürchterlich schönem Gleichgewicht. Die Wagschale dieses Lebens sinkend, wird hochsteigen in jenem, steigend in diesem, wird in jenem zu Boden fallen. Aber was hier zeitliches Leiden war, wird dort ewiger Triumph; was hier endlicher Triumph war, wird dort ewige unendliche Verzweiflung.
Franz (wild auf ihn losgehend).
Daß dich der Donner stumm mache, Lügengeist du! Ich will dir die verfluchte Zunge aus dem Munde reißen!
Moser.
Fühlt Ihr die Last der Wahrheit so früh? Ich habe ja noch nichts von Beweisen gesagt. Laßt mich nur erst zu den Beweisen –
Franz.
Schweig, geh in die Hölle mit deinen Beweisen! Zernichtet wird die Seele, sag' ich dir, und sollst mir nicht darauf antworten!
Moser.
Darum winseln auch die Geister des Abgrunds, aber Der im Himmel schüttelt das Haupt. Meint Ihr dem Arm des Vergelters im öden Reich des Nichts zu entlaufen? Und führet Ihr gen Himmel, so ist er da! und bettetet Ihr Euch in die Hölle, so ist er wieder da! und sprächet Ihr zu der Nacht: Verhülle mich, und zu der Finsterniß: Birg mich! so muß die Finsterniß leuchten um Euch und um den Verdammten die Mitternacht tagen – aber Euer unsterblicher Geist sträubt sich unter dem Wort und siegt über den blinden Gedanken.
Franz.
Ich will aber nicht unsterblich sein – sei es, wer da will, ich will's nicht hindern. Ich will ihn zwingen, daß er mich zernichte, ich will ihn zur Wuth reizen, daß er mich in der Wuth zernichte. Sag mir, was ist die größte Sünde, und die ihn am grimmigsten aufbringt?
Moser.
Ich kenne nur zwei. Aber sie werden nicht von Menschen begangen, auch ahnden sie Menschen nicht.
Franz.
Diese zwei? –
Moser (sehr bedeutend). Vatermord heißt die eine, Brudermord die andere – Was macht Euch auf einmal so bleich?
Franz.
Was, Alter? Stehst du mit dem Himmel oder mit der Hölle im Bündniß? Wer hat dir das gesagt?
Moser.
Wehe Dem, der sie beide auf dem Herzen hat! Ihm wäre besser, daß er nie geboren wäre! Aber seid ruhig! Ihr habt weder Vater noch Bruder mehr!
Franz. Ha! – was, du kennst keine drüber? Besinne dich nochmals – Tod, Himmel, Ewigkeit, Verdammniß schwebt auf dem Laut deines Mundes – keine einzige drüber?
Moser.
Keine einzige drüber.
Franz (fällt in einen Stuhl).
Zernichtung! Zernichtung!
Moser.
Freut Euch, freut Euch doch! preist Euch doch glücklich! – Bei allen Euren Gräueln seid Ihr noch ein Heiliger gegen den Vatermörder. Der Fluch, der Euch trifft, ist gegen den, der auf diesen lauert, ein Gesang der Liebe – die Vergeltung –
Franz (aufgesprungen).
Geh in tausend Grüfte, du Eule! wer hieß dich hieher kommen? Geh, sag' ich, oder ich stoß' dich durch und durch!
Moser.
Kann das Pfaffengewäsch so einen Philosophen in Harnisch jagen? Blast es doch weg mit dem Hauch Eures Mundes! (Geht ab.)
Franz (wirft sich in seinem Sessel herum in schrecklichen Bewegungen. Tiefe Pause).
Ein Bedienter eilig.
Bedienter.
Amalia ist entsprungen, der Graf ist plötzlich verschwunden.
Daniel kommt
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