Dramen
selbst nicht glaubt… Wa-was glotzt du so auf die Straße hinunter??
Wendla
Ein Mann, Mutter – dreimal so groß wie ein Ochse! – mit Füßen wie Dampfschiffe…!
Frau Bergmann
ans Fenster stürzend
Nicht möglich! – Nicht möglich! –
Wendla
zugleich
Eine Bettlade hält er unterm Kinn, fiedelt die Wacht am Rhein drauf – – eben biegt er um die Ecke…
Frau Bergmann
Du bist und bleibst doch ein Kindskopf! – Deine alte einfältige Mutter so in Schrecken jagen! – Geh, nimm deinen Hut. Nimmt mich wunder, wann bei dir einmal der Verstand kommt. – Ich habe die Hoffnung aufgegeben.
Wendla
Ich auch, Mütterchen, ich auch. – Um meinen Verstand ist es ein traurig Ding. – Hab' ich nun eine Schwester, die seit zwei und einem halben Jahr verheiratet, und ich selber bin zum dritten Male Tante geworden, und habe gar keinen Begriff, wie das alles zugeht… Nicht böse werden, Mütterchen; nicht böse werden! Wen in der Welt soll ich denn fragen als dich! Bitte, liebe Mutter, sag es mir! Sag's mir, geliebtes Mütterchen! Ich schäme mich vor mir selber. Ich bitte dich, Mutter, sprich! Schilt mich nicht, daß ich so etwas frage. Gib mir Antwort – wie geht es zu? – wie kommt das alles? – Du kannst doch im Ernst nicht verlangen, daß ich bei meinen vierzehn Jahren noch an den Storch glaube.
Frau Bergmann
Aber du großer Gott, Kind, wie bist du sonderbar! – Was du für Einfälle hast! – Das kann ich ja doch wahrhaftig nicht!
Wendla
Warum denn nicht, Mutter! – Warum denn nicht! – Es kann ja doch nichts Häßliches sein, wenn sich alles darüber freut!
Frau Bergmann
O – o Gott behüte mich! – Ich verdiente ja… Geh, zieh dich an, Mädchen; zieh dich an!
Wendla
Ich gehe… Und wenn dein Kind nun hingeht und fragt den Schornsteinfeger?
Frau Bergmann
Aber das ist ja zum Närrischwerden! – Komm, Kind, komm her, ich sage es dir! Ich sage dir alles… O du grundgütige Allmacht! – nur heute nicht, Wendla! – Morgen, übermorgen, kommende Woche… wann du nur immer willst, liebes Herz…
Wendla
Sag es mir heute, Mutter; sag es mir jetzt! Jetzt gleich! – Nun ich dich so entsetzt gesehen, kann ich erst recht nicht eher wieder ruhig werden.
Frau Bergmann
Ich kann nicht, Wendla.
Wendla
Oh, warum kannst du nicht, Mütterchen! – Hier knie ich zu deinen Füßen und lege dir meinen Kopf in den Schoß. Du deckst mir deine Schürze über den Kopf und erzählst und erzählst, als wärst du mutterseelenallein im Zimmer. Ich will nicht zucken; ich will nicht schreien; ich will geduldig ausharren, was immer kommen mag.
Frau Bergmann
Der Himmel weiß, Wendla, daß ich nicht die Schuld trage! Der Himmel kennt mich! – Komm in Gottes Namen! – Ich will dir erzählen, Mädchen, wie du in diese Welt hineingekommen. – So hör mich an, Wendla…
Wendla
unter ihrer Schürze
Ich höre.
Frau Bergmann
ekstatisch
Aber es geht ja nicht, Kind! – Ich kann es ja nicht verantworten. – Ich verdiene ja, daß man mich ins Gefängnis setzt – daß man dich von mir nimmt…
Wendla
unter ihrer Schürze
Faß dir ein Herz, Mutter!
Frau Bergmann
So höre denn…!
Wendla
unter ihrer Schürze, zitternd
O Gott, o Gott!
Frau Bergmann
Um ein Kind zu bekommen – du verstehst mich, Wendla?
Wendla
Rasch, Mutter – ich halt's nicht mehr aus.
Frau Bergmann
Um ein Kind zu bekommen – muß man den Mann – mit dem man verheiratet ist… lieben – lieben sag' ich dir – wie man nur einen Mann lieben kann! Man muß ihn so sehr von ganzem Herzen lieben, – wie sich's nicht sagen läßt! Man muß ihn lieben , Wendla, wie du in deinen Jahren noch gar nicht lieben kannst… Jetzt weißt du's.
Wendla
sich erhebend
Großer – Gott – im Himmel!
Frau Bergmann
Jetzt weißt du, welche Prüfungen dir bevorstehen!
Wendla
Und das ist alles?
Frau Bergmann
So wahr mir Gott helfe! – – Nimm nun den Korb da und geh zu Ina hinunter. Du bekommst dort Schokolade und Kuchen dazu. – Komm, laß dich noch einmal betrachten – die Schnürstiefel, die seidenen Handschuhe, die Matrosentaille, die Rosen im Haar… dein Röckchen wird dir aber wahrhaftig nachgerade zu kurz, Wendla!
Wendla
Hast du für Mittag schon Fleisch gebracht, Mütterchen?
Frau Bergmann
Der liebe Gott behüte dich und segne dich – Ich werde dir gelegentlich eine Handbreit Volants unten ansetzen.
Dritte Szene
Hänschen Rilow
ein Licht in der Hand, verriegelt die Tür hinter sich und öffnet den Deckel
Hast du zu
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