Dramen
der, daß ich dich nicht um deinen Rat gebeten habe.
Scholz
Das ist für mich nur ein Grund mehr zu rückhaltloser Aufrichtigkeit. Ich habe durch meinen übertriebenen Pflichteifer den Tod von zwanzig Menschen verschuldet; aber du benimmst dich, als habe man seinen Mitmenschen gegenüber
(überhaupt keine Pflichten.)
Du gefällst dir geradezu darin, mit dem Leben anderer zu spielen!
v. Keith
Bei mir ist noch jeder mit einem blauen Auge davongekommen.
Scholz
mit wachsendem Selbstbewußtsein
Das ist dein persönliches Glück! Dir fehlt aber das Bewußtsein, daß andere ganz die nämlichen Ansprüche auf den Genuß ihres Lebens haben wie du. Das, worin die Menschheit ihre höchsten Errungenschaften erblickt, was man mit Fug und Recht als Sittlichkeit bezeichnet, dafür hast du nicht das geringste Verständnis.
v. Keith
Du bleibst dir treu. – Du kommst nach München mit dem ausgesprochenen Vorsatz, dich zum Genußmenschen auszubilden, und bildest dich aus Versehen zum Sittenprediger aus.
Scholz
Ich bin durch das buntscheckige Treiben Münchens zu einer bescheidenen, aber jedenfalls um so zuverlässigeren Selbstabschätzung gelangt. Ich habe in diesen vierzehn Tagen so gewaltige innere Wandlungen durchgemacht, daß ich, wenn du mich anhören willst, allerdings auch als Sittenprediger reden kann.
v. Keith
gereizt
Dir treibt mein Glück die Galle ins Blut!
Scholz
Ich glaube nicht an dein Glück! Ich bin so namenlos glücklich, daß ich die ganze Welt umarmen möchte, und wünsche dir aufrichtig und ehrlich dasselbe. Dazu gelangst du aber nie, solang du noch über die höchsten Werte des Lebens in deiner knabenhaften Weise spottest. Ich wußte, bis ich nach München kam, die Beziehungen zwischen Mann und Weib allerdings nur ihrer seelischen Bedeutung nach zu würdigen, während mir der Sinnengenuß noch als etwas Gemeines erschien. Das war verkehrt. Aber du hast in deinem ganzen Leben an einem Weibe nie etwas Höheres als den Sinnengenuß geschätzt. Solange du nicht von deinem Standpunkt aus der sittlichen Weltordnung deine Zugeständnisse machst, wie ich es von meinem Standpunkt aus getan habe, so lang wird all dein Glück ewig auf tönernen Füßen stehn!
v. Keith
sachlich
Die Dinge liegen ganz anders. Ich verdanke den letzten vierzehn Tagen meine materielle Freiheit und gelange infolgedessen endlich zum Genuß meines Lebens. Und du verdankst den letzten vierzehn Tagen deine geistige Freiheit und bist infolgedessen endlich zum Genuß deines Lebens gelangt.
Scholz
Nur mit dem Unterschied, daß es mir bei all den Genüssen darum zu tun ist, ein nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu werden.
v. Keith
aufspringend
Warum soll man denn durchaus ein nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft werden?!
Scholz
Weil man als etwas anderes keine Existenzberechtigung hat!
v. Keith
Ich brauche keine Existenzberechtigung! Ich habe niemanden um meine Existenz gebeten und entnehme daraus die Berechtigung, meine Existenz nach meinem Kopfe zu existieren.
Scholz
Dabei gibst du deine Frau, die drei Jahre alle Gefahren und Entbehrungen mit dir getragen hat, mit der größten Seelenruhe dem Elend preis!
v. Keith
Was soll ich denn tun! Meine Ausgaben sind so horrend, daß ich für meinen eigenen Gebrauch nicht einen Pfennig übrig habe. Mit der ersten Rate meines Gehaltes habe ich meinen Anteil am Gründungskapital eingezahlt. Ich dachte einen Augenblick daran, das Geld anzugreifen, das mir zur Bestreitung der Vorarbeiten zur Verfügung steht. Aber das kann ich nicht. – Oder wolltest du mir dazu raten?
Scholz
Ich kann dir eventuell schon noch zehn- oder zwanzigtausend Mark überlassen, wenn du dir nicht anders helfen kannst. Ich bekam gerade heute zufällig einen Wechsel von meinem Verwalter über zehntausend Mark.
(Entnimmt seinem Portefeuille einen Wechsel und reicht ihn v. Keith hin.)
v. Keith
reißt ihm das Papier aus der Hand
Komm mir dann aber bitte nicht gleich morgen wieder damit, du wollest das Geld zurückhaben!
Scholz
Ich brauche es jetzt nicht. Die übrigen zehntausend Mark muß ich mir aber erst durch meinen Bankier aus Breslau schicken lassen.
Anna kommt in eleganter Straßentoilette aus dem Spielzimmer.
Anna
Entschuldigen Sie, meine Herren, daß ich warten ließ.
Scholz
überreicht seine Blumen
Ich konnte mir die Freude nicht versagen, gnädige Frau, Sie am ersten Morgen Ihrer vielversprechenden künstlerischen Laufbahn von ganzem Herzen zu
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