Dramocles
Atomexplosion vernichten würde. Unter den wenigen, die es besser wußten, waren Dramokles, der Computer und Dr. Fisch.
Dramokles hatte sich an seinen Vater stets mit Liebe und Zuneigung erinnert. Oder jedenfalls hatte er das geglaubt. In dieser Erinnerung jedoch war das alles anders. In dieser Erinnerung hatte er seinen Vater nie gemocht, schon von Kindheit an; er hielt ihn für einen tyrannischen, bösen, rücksichtslosen Menschen, besessen von seinen verrückten okkultistischen Ideen.
Vater und Sohn hatten sich vor Othos Abreise heftig gestritten. Der junge Dramokles war entschieden gegen Othos Plan gewesen, persönliche Unsterblichkeit auf Kosten vieler Millionen Menschenleben anzustreben. Und er hatte den Plan, den Otho für Dramokles’ Regentschaft hatte, völlig unakzeptabel gefunden. Dramokles war wütend auf seinen Vater. Nicht nur, weil der sich zu sterben weigerte, sondern auch, weil er von jenseits des Grabes, oder wo immer er hinging, weiterhin die Kontrolle über seinen Sohn beanspruchte und das Leben seines Sohnes so zu einer bloßen Fußnote seiner eigenen, monströs ausgedehnten Existenz herabwürdigte.
»Ich bin nicht einverstanden mit deinen Plänen«, hatte er zu Otho gesagt. »Wenn ich König bin, werde ich tun, was ich für richtig halte.«
»Du wirst tun, was ich für richtig halte«, hatte Otho gesagt, »und du wirst es gern tun.«
Dramokles hatte nicht begriffen. Er hatte mit Dr. Fisch auf Ultragnolles höchstem Beobachtungsturm gestanden und zugesehen, wie das Schiff seines Vaters im blauen Himmel verschwand. »Endlich ist er weg«, hatte er zu Fisch gesagt. »Ich wünsche ihm eine gute Reise, wo immer er hinfliegt. Nun endlich kann ich.«
Er hatte einen Stich am Arm gespürt, sich verblüfft umgedreht und gesehen, daß Dr. Fisch eine kleine Spritze in der Hand hielt. »Fisch! Was soll das? Warum.«
»Es tut mir leid«, sagte Fisch, »ich habe in dieser Sache keine andere Wahl.«
Dramokles hatte noch zwei Schritte bis zur Tür geschafft. Dann fiel er durch ein Mitternachtsmeer der Müdigkeit, das mit seltsamen Vogelstimmen und unheimlichem Gelächter erfüllt war. Dann erinnerte er sich an nichts mehr, bis er das Bewußtsein wiedererlangte. Er befand sich in Fischs Labor. Er war auf einen Operationstisch geschnallt. Fisch stand über ihm und prüfte die Schneide eines Psychomikrotoms.
»Fisch!« rief er. »Was haben Sie vor?«
»Ich werde jetzt bei Ihnen eine Erinnerungsentfernung und – replantation vornehmen«, sagte Fisch. »Ich weiß, daß das nicht sehr anständig ist, aber ich habe keine Wahl, ich muß die Befehle meines Besitzers befolgen. King Otho befahl mir, alle Erinnerungen, die mit Ihrer und seiner Bestimmung und, insbesondere, mit Ihrer letzten Unterredung mit ihm zu tun haben, zu ändern. Sie werden glauben, er sei bei einer Atomexplosion auf Gliese ums Leben gekommen.«
»Fisch, Sie wissen, daß das nicht stimmt. Schnallen Sie mich sofort los.«
»Außerdem wurde mir befohlen, verschiedene andere Erinnerungen zu ändern oder zu ersetzen, die bis in Ihre Kindheit zurückreichen. Sie werden sich an Otho als einen liebenswerten Vater erinnern.«
»Dieser kaltblütige Bastard!«
»Er will, daß Sie ihn als großzügig in Erinnerung haben.«
»Er hat mir zum Geburtstag nicht einmal einen Hang zum Skilaufen geschenkt«, sagte Dramokles.
»Sie werden ihn für einen hochmoralischen Mann halten, exzentrisch, aber gütig.«
»Nach dem, was er mir erzählt hat? Daß er alle töten will, um unsterblich zu werden?«
»Sie werden sich an nichts dergleichen erinnern. Mit Hilfe bestimmter Schlüssel-Erinnerungen will Otho ihre Liebe und später Ihren Gehorsam erlangen. Sie werden sich an nichts erinnern, Dramokles, nicht einmal an dieses Gespräch hier. Wenn Sie von diesem Tisch aufstehen, werden Sie glauben, Ihre Bestimmung selbst entdeckt zu haben. Sie werden erkennen, daß Sie noch dreißig Jahre auf ihre Erfüllung warten müssen. Nach gründlicher Überlegung werden Sie mich bitten, Ihre Erinnerung an diese Dinge zu unterdrücken und sie mit einem Kennwort zu verschlüsseln, das Ihnen ein professioneller Erinnerer zum richtigen Zeitpunkt mitteilen wird. Danach werden Sie mich sprengen – nicht wirklich, natürlich, aber Sie werden es glauben. Ich werde dreißig Jahre lang Urlaub nehmen, und Sie werden eine ruhige Regierungszeit haben und sich ständig fragen, was Sie mit Ihrem Leben anfangen wollen, bis Sie es dann zu guter Letzt erfahren.«
»Oh, Fisch! Sie sehen
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