Dramocles
verwehrt war, sah Otho sich nach anderen Beschäftigungen um, die aufregend und herausfordernd genug waren, um seinen Ehrgeiz zu befriedigen. Nachdem er es mit Schach, Forellenangeln, Landschaftsmalerei und Querfeldein-Radfahren versucht hatte, wandte er sich dem Okkultismus zu.
Zu Othos Zeit gehörte auch die Wissenschaft zum Okkulten, denn auch sie war für die Glormer ein ungelöstes Rätsel, da sie ihre technischen Geräte geerbt hatten, nicht wußten, wie sie funktionierten und sie auch nicht reparieren konnten, wenn sie ausfielen. Otho näherte sich dem Problem auf verschiedenen Ebenen. Er vermutete, daß Wissenschaft und Magie nebeneinander existierten und in vielerlei Hinsicht austauschbar waren. Trotz dieser Erkenntnis wäre Otho vermutlich ein bloßer Dilettant geblieben, hätte er nicht in einem Gelegenheitskauf einen hochentwickelten Computer von der Erde und einen ausgebildeten Robot-Techniker namens Dr. Fisch erworben. Für diese beiden hochintelligenten Maschinen bezahlte Otho König Sven, dem Vater Haldemars, eintausend Raumschiffladungen Schweine. Die Grillparty, die sich daran anschloß, zählt zu den Höhepunkten in der Geschichte der Vanir.
Der Computer war praktisch ein lebendiges Wesen. Seine Körperfunktionen beschränkten sich allerdings auf gelegentliche, unerklärliche Energie-Entladungen. Während seiner Jahre auf der Erde hatte der Computer tatsächlich Isaac Newton kennengelernt. Als sie sich 1718 begegneten, galt Newton bereits als herausragendster Wissenschaftler Englands. Er war ein stiller, bescheidener Mensch, der mit der Ehre, die ihm seine wissenschaftlichen Leistungen eingebracht hatten, vollauf zufrieden war. Deshalb beschloß er, seine Erkenntnisse über die Magie seinen abergläubischen Landsleuten vorzuenthalten. Die Welt war seiner Ansicht nach noch nicht bereit für dieses Wissen. Newton behielt sein okkultes Wissen für sich und deutete es in den vielen Mysterienbänden, die er in seinen letzten Lebensjahren schrieb, lediglich an. Aber er fand nichts dabei, seine Erkenntnisse mit dem seltsamen, hochbegabten lettischen Einwanderer zu besprechen, der sich seinen Lebensunterhalt verdiente, indem er für Leeuwenhoek und andere optische Gläser schliff.
Und so weihte der Computer Otho in Newtons Geheimnisse ein, wenn er selbst sich auch nicht für sie interessierte. Der Computer interessiert sich für Menschen, die er interessanter und abwechslungsreicher fand als die subatomaren Teilchen, mit deren Strukturen und Gewohnheiten er sich zuvor befaßt hatte. Wenn er nach den Gründen für Unlogisches, ja bisweilen sogar Widersprüchliches in seinem Verhalten gefragt wurde, hatte der Computer geantwortet, daß er versuche, sich wie ein Mensch zu benehmen. Die eigene Geschichte des Computers – wer ihn baute, wie er ins London des achtzehnten Jahrhunderts kam, und warum er später als Teil einer Schiffsbeute auf Vanir auftauchte – gehört, obwohl sie durchaus interessant ist, nicht in diesen Bericht.
Unter der Anleitung des Computers lernte Otho viele seltsame und erstaunliche Dinge, ohne daß dies einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. Er wurde Okkultist, und es zeigte sich, daß er ein unglaubliches Talent für »Die Arbeit« besaß. Der Computer sagte oft, daß Otho besser sei als jeder Magier, den er je gekannt habe, besser als Albertus Magnus und Paracelsus, sogar besser als Raimondo Llull, der Mathematiker aus Mallorca. Am stärksten ähnele er, so der Computer, einem Erdenmenschen namens Dr. Faustus, einem Magier mit großen Fähigkeiten, der ein schlimmes Ende fand und dessen Geschichte in vielen verschiedenen Versionen überliefert ist.
Echte Magier sind sehr praktisch und realistisch veranlagte Menschen. Es sind spiritistische Börsenmakler, die versuchen, ein Stückchen vom kostbarsten aller Kuchen abzubekommen, der relativen Unsterblichkeit. Leben ist die Voraussetzung für alle Unternehmungen, der Erhalt des eigenen Lebens daher die wichtigste Beschäftigung. Der Magier, Seher, Schamane oder Mystiker sucht die verjüngende Wirkung der astralen Reise. Durch lange Übung in der Kunst der Trance erreicht er die Fähigkeit, seinen Geist vom Körper zu trennen und sein Selbst in andere Zeiten und an andere Orte zu projizieren. Die Seele des Magiers ist in der Lage, den Tod ihres Körpers zu überleben, wenigstens für eine Weile. Für wie lange, das hängt von der Energie ab, die der Magier anziehen, binden und dirigieren kann. Leben ist eine Frage der
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