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Dramocles

Dramocles

Titel: Dramocles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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Energie.
    Moderne Magier können die zaghaften Methoden der Vergangenheit umgehen und direkt zur Quelle der Energie vordringen – der Explosion der Atome, der Kernspaltung. Indem der Magier diese Kräfte mit Hilfe einer mandäischen Visualisierung kontrolliert, kann er sich selbst auf eine andere Welt, in eine andere Wirklichkeit projizieren.
    Die Reise zwischen den Wirklichkeiten ist der Weg zur Unsterblichkeit.
    Das erzählte Otho seinem zwanzigjährigen Sohn Dramokles, kurz bevor er zu seinem Labor auf Gliese, dem kleinsten der drei Monde Glorms, aufbrach und es in Stücke sprengte und sich selbst, scheinbar, mit.
    In Wirklichkeit starb Otho nicht. Er hatte diese Explosion geplant. Otho steuerte die Energie der Explosion, vereinigte sich mit ihr und reiste so in einer anderen Dimension durch ein Wurmloch im kosmischen Schaum. Er gelangte an einen Ort, der sich Erde nannte, dessen Geschichte sich aber von der Erde in Othos Wirklichkeit unterschied. In dieser Wirklichkeit gab es kein Glorm.
    In ihrem letzten Gespräch erzählte Otho Dramokles von seiner Bestimmung. Der junge Dramokles war angesichts seiner großartigen Zukunft von Ehrfurcht ergriffen gewesen; denn Otho strebte für sich und seinen Sohn die Unsterblichkeit an. Er wollte, daß sie beide wie Götter im Kosmos lebten, unabhängig und an keine Grenzen gebunden. Und Dramokles hatte eingesehen, daß seine Erinnerung an diese Bestimmung für eine Weile unterdrückt werden mußte. Otho war davon ausgegangen, daß er dreißig Jahre brauchen würde, um die Erde unter seine Kontrolle zu bringen. Es war das beste, wenn Dramokles während dieser Zeit leise, passiv, unbewußt regierte. Dramokles mußte warten, und es war besser für ihn, überhaupt nicht zu wissen, daß er wartete.
    »Doch jetzt«, sagte Otho, »ist der letzte Schleier gelüftet. Wir sind wieder vereint, mein lieber Sohn, und die Stunde deiner Bestimmung ist endlich gekommen. Der letzte Akt wird bald beginnen.«
    »Welcher letzte Akt?« fragte Dramokles.
    »Ich meine den großen Krieg, der nun bevorsteht, du und Rufus gegen John und Haldemar. Ich habe ihn geplant, und er muß stattfinden. Wir brauchen einen atomaren Holocaust, der das Wurmloch zwischen der Erde und Glorm öffnet und es offen hält. Dann werden wir zwischen den Wirklichkeiten reisen können, wie es uns gefällt, und unsere Energie einsetzen, um noch mehr Energie zu bekommen. Du und ich, Dramokles, und unsere Freunde, werden den Zugang zu anderen Dimensionen beherrschen. Wir werden unsterblich sein und wie Götter leben.«
    »Aber hast du den Preis bedacht?« fragte Dramokles. »Die Zerstörungen werden ungeheure Ausmaße haben, besonders auf Glorm.«
    »Das stimmt«, sagte Otho, »und niemand bedauert das mehr als ich. Wenn es eine andere Möglichkeit gäbe, würde ich ihre Leben schonen.«
    »Der Krieg kann noch verhindert werden.«
    »Das wäre das Ende unserer Träume, unserer Unsterblichkeit, unserer Göttlichkeit. In ein paar Jahrzehnten werden sie sowieso alle tot sein. Aber wir können ewig leben! Das ist sie, Dramokles, deine Bestimmung, und der Augenblick der Entscheidung ist da. Was wirst du tun?«

40
    Der Augenblick der Entscheidung! Endlich waren die langen Jahre des Wartens vorüber. Jetzt wußte Dramokles, was seine Bestimmung war; jetzt kannte er die furchtbare Wahl, die er treffen mußte, um diese Bestimmung zu erfüllen. Es war ein erdrückendes Wissen, und eine quälende Entscheidung wurde ihm abverlangt. Alle Anwesenden im Kriegszimmer beobachteten ihn, einige ruhig, andere voller Spannung. Und jeder Augenblick schien sich zu verlangsamen und auszudehnen, länger und länger zu werden, so als warte selbst die Zeit auf das Ergebnis von Dramokles’ Überlegungen.
    Chemise versuchte, in Dramokles’ gelben Augen zu lesen. Welcher Richtung neigte er zu? Hatte er noch Mitleid mit der Welt der Sterblichen, zu denen er, jedenfalls im Augenblick, immer noch zählte? Oder war es Otho gelungen, ihn mit seinen wohlklingenden Magier-Worten auf seine Seite zu ziehen?
    Die Lippen des Königs bewegten sich, doch, obwohl alle angestrengt lauschten, war kein verständlicher Laut zu hören, nur ein leises Säuseln des Atems, das alle trotz seiner offensichtlichen Bedeutungslosigkeit zu interpretieren suchten.
    Schließlich seufzte Dramokles tief und sagte: »Weißt du, Dad, die Unsterblichkeit ist wirklich eine große Versuchung. Aber das ist nicht recht, alle zu töten, bis auf deine Freunde. Es ist nicht einfach nur schlecht

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