Dread Empire's Fall 01 - Der Fall des Imperiums
Zeitpunkt näherte, an dem er seine Verantwortung abtreten musste.
Er hatte sich bemüht, die jüngeren Völker auf den richtigen Weg zu führen, große Reichtümer verschenkt und entsetzliche Strafen verhängt. Er hatte eine Ordnung erschaffen, die es der Praxis erlaubte, seinen Tod zu überdauern und die Stabilität des Reiches zu wahren.
Seine größte Hoffnung war, dass sich nach seinem Tod nichts ändern würde.
Absolut nichts. Niemals.
1
»Nach dem Tod des Großen Meisters werde ich mir selbstverständlich das Leben nehmen.«
Leutnant Gareth Martinez, der mit seinen kürzeren Beinen angestrengt neben dem Flottenkommandeur Enderby einherschritt, wäre fast gestolpert, als er diese Worte hörte.
»Mein Lord?« Er fing sich wieder und marschierte an Enderbys linker Seite weiter. Abermals knallten ihre Stiefel im Gleichschritt auf den gehobelten, glitzernden Asteroidenstein, der den Boden der Kommandantur bildete.
»Ich habe mich freiwillig gemeldet«, erklärte Enderby auf seine sachliche, nüchterne Art. »Meine Familie braucht einen Vertreter auf dem Scheiterhaufen, und ich bin der beste Kandidat dafür. Ich befinde mich auf dem Höhepunkt meiner Karriere, meine Kinder haben sich im Leben gut eingerichtet, und meine Frau hat sich scheiden lassen.« Er blickte Martinez unter seinen weißen Augenbrauen hinweg an. »Mein Tod wird dazu beitragen, dass mein Name und der meiner Familie stets in Ehren gehalten werden.«
Außerdem wird man so den kleinen Finanzskandal,
an dem deine Frau beteiligt war, viel schneller vergessen, dachte Martinez. Wie schade, dass Enderbys Gattin sich nicht anstelle des Flottenkommandeurs für die Familie opfern konnte.
Ganz besonders bedauerlich war dies für Martinez selbst.
»Ich werde Sie vermissen, mein Lord«, sagte er.
»Ich habe bereits mit Kapitän Tarafah über Sie gesprochen«, fuhr Enderby fort. »Er ist bereit, Sie als Kommunikationsoffizier auf die Corona zu übernehmen.«
»Danke, mein Lord«, erwiderte Martinez. Er gab sich große Mühe, seinem Vorgesetzten nicht das Entsetzen zu zeigen, das ihm wie ein eisiger Schauer durch alle Knochen fuhr.
Martinez’ Familie gehörte zu den Peers, zur Gruppe jener Klans also, welche die Großen Meister - die Shaa - über die gesamte Schöpfung erhoben hatten. Nach Ansicht der Shaa waren alle Peers einander ebenbürtig. Innerhalb dieser Gruppe galten allerdings andere Regeln. Es reichte nicht, ein Peer zu sein. Man musste die richtige Art von Peer sein.
Martinez gehörte zweifellos nicht zu der richtigen Art. In ihrer fernen Heimatwelt Laredo waren die Martinez’ nahezu allmächtig. Im Zentrum der Macht galten sie als provinzielle Nullen, während die wirklich bedeutenden Peers in den Palästen der Hohen Stadt Zanshaa lebten. Die feinen Rangabstufungen der Peers waren in keinem Gesetz festgelegt, prägten jedoch die ganze gehobene
Gesellschaft. Martinez’ Herkunft berechtigte ihn, die Militärakademie der Peers zu besuchen und danach in den aktiven Dienst einzutreten, aber das war auch schon alles.
Nach sechs Jahren war er bis zum Rang eines Leutnants aufgestiegen. So weit hatte es sein Vater Marcus Martinez erst nach einem vollen Dutzend Jahren geschafft, woraufhin er frustriert seinen Abschied genommen hatte und nach Laredo zurückgekehrt war, um jede Menge Geld zu scheffeln.
Der Sohn hatte bald begriffen, dass er einen mächtigen Patron brauchte, der seinen Aufstieg im Militärdienst förderte. Gareth Martinez hatte geglaubt, diesen Gönner in Flottenkommandeur Enderby gefunden zu haben, denn der ältere Offizier schien von Martinez’ Fähigkeiten beeindruckt zu sein und zeigte sich zudem geneigt, die fragwürdige Herkunft seines Adjutanten und den grässlichen provinziellen Akzent zu vergessen, den der Jüngere einfach nicht ablegen konnte.
Was tut man, wenn der vorgesetzte Offizier seinen Selbstmord ankündigt? , fragte sich Martinez. Es ihm ausreden?
»Tarafah ist ein guter Mann«, versicherte Enderby ihm. »Er wird sich um Sie kümmern.«
Tarafah ist bloß Kapitänleutnant , dachte Martinez. Selbst wenn Tarafah ihn für den brillantesten Offizier aller Zeiten hielt - was ohnehin äußerst unwahrscheinlich war -, befand Tarafah sich nicht in der Position, ihn befördern zu können. Er konnte ihn höchstens einem
Vorgesetzten empfehlen, und dieser Vorgesetzte wäre, wie Martinez genau wusste, wiederum ganz anderen Klienten verpflichtet, deren Bedürfnisse ihm weit wichtiger wären als seine eigenen.
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