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Dreck

Dreck

Titel: Dreck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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Rückschnitt des Deckhaars und der Seiten. Anschließend trug er die Blondiercreme auf und ließ sie gut eine Stunde einwirken. Nach dem Ausspülen beäugte er sich neugierig im Spiegel. Durch das blonde Haar wirkten seine Gesichtszüge zerbrechlich und verhärmt. Sorgfältig tupfte er mit Toilettenpapier die letzten Cremeflecke und Wassertropfen ab und sammelte den Abfall in einer leeren Plastiktüte.
    In einem Zimmer lag ein alter Trainingsanzug herum, der ihm zwar ein bisschen zu kurz war, aber ansonsten ganz bequem saß. Der Kleiderschrank war prallvoll mit Damenkleidern, Hosen, Blusen und Röcken, allein ein paar Herrenhosen, Herrenhemden, Anzüge und ein Trenchcoat hatten in der hinteren Ecke noch Platz gefunden. Bis auf die Beinlänge schien die Größe in etwa der seinen zu entsprechen, aber er war im Augenblick zu müde, um diesen Eindruck im Detail zu prüfen.
    Er suchte in der Küche nach Essbarem. Da er jedoch Kochgeräusche und Küchendüfte vermeiden wollte, öffnete er nur eine Dose Gulaschsuppe und verschlang sie kalt. Sie hatte die Konsistenz von Tubenkleber. Hinterher wusch er den Löffel ab und steckte die leere Dose zu den Resten von Toilettenpapier in der Plastiktüte.
    Er legte sich schlafen. Einen Wecker brauchte er nicht. Sein Instinkt würde ihm früh genug mitteilen, wann es Zeit war, aufzustehen.
    Diese Zeit kam in der Morgendämmerung. Er wusch und rasierte sich, trug Gel auf und kämmte sich einen Mittelscheitel. Dann wählte er aus dem Schrank ein weißes Hemd, eine einfarbige Krawatte und einen dunkelgrauen Anzug. Die Hosen waren ihm zu kurz, ein Umstand jedoch, so fiel ihm ein, der in den ländlichen Gebieten wahrscheinlich mit größerer Selbstverständlichkeit hingenommen wurde, als in der Stadt. Vier Paar Schuhe standen in Reih und Glied auf dem Schrankboden. Sie waren ihm alle zu groß. Er zog zwei weitere Paar Socken über und entschied sich für die grauen Wildlederschuhe. Sie fühlten sich weich an und hatten eine Gummisohle, und er hatte den Eindruck, es war die vernünftigere Alternative zu den spröderen Hartlederschuhen. Mit drei Sockenlagen passten sie auch ganz gut.
    Er hörte die Sechsuhrnachrichten. Die Morde und der Überfall waren noch immer das Top-Thema, doch offenbar war die Lage unverändert.
    Er beseitigte seine Fingerabdrücke von allen Oberflächen, räumte das, was er benutzt hatte, weg und verstaute die alten Kleider ebenfalls in seiner Plastiktüte. Die Wohnungsbesitzer mochten sich zwar über das Verschwinden einiger Kleidungsstücke wundern, aber wahrscheinlich keine Anzeige erstatten, wenn ansonsten alles in Ordnung war. Selbst wenn sie Anzeige erstatteten, machte das auch nichts aus, bis dahin hatte sich seine Spur längst verlaufen.
    Wyatt öffnete die Wohnungstür und horchte. Außer ihm schien noch keine Menschenseele im Haus wach zu sein. Unbemerkt gelangte er auf die Straße hinaus. Der Bahnhof war gut zehn Minuten zu Fuß entfernt. Die Tüte mit dem Abfall warf er in eine der Mülltonnen am Straßenrand.
    Die Morgenluft war klar und kühl. Kaum Verkehr um diese Uhrzeit. Kurz vor sieben war er am Bahnhof. Auf dem Bahnhofsvorplatz standen vier Autos. Die Bahnsteige waren noch verwaist, und weder im Wartesaal noch am Ticketschalter trieben sich Cop-verdächtige Kreaturen herum. Die beiden einzigen Personen, die er ausmachen konnte, waren der Bahnhofsvorsteher, der sich in einer Stube neben dem Schalter gerade Kaffee aufbrühte, und ein höchst verschlafen dreinschauender Mann im Wartesaal.
    Wyatt studierte den Fahrplan. Um 7.35 Uhr ging ein Zug nach Adelaide. Zurück gelangte man mit einem Zug, der um 6.35 Uhr wieder in Aberfieldie ankam.
    Zwanzig Minuten später saßen sie zu zehnt im Wartesaal. Die meisten von ihnen Frauen, die vermutlich zum Einkaufen nach Adelaide fuhren, doch unter ihnen auch zwei Männer in Anzügen. Alle gähnten vor sich hin. Ein Mann hustete mehrmals heftig. Der andere setzte sich kühn über das Verbotsschild hinweg und rauchte ununterbrochen.
    Als der Zug einfuhr, erhoben sie sich von ihren Bänken und begaben sich zum Bahnsteig. Wyatt ging auf die Herrentoilette. Als der Zug den Bahnhof verlassen hatte, schlenderte er zum Parkplatz. Mittlerweile parkten dort insgesamt zwölf Autos. Er entschied sich für einen weißen Kingswood, der war schnell kurzzuschließen. Bis heute Abend um halb sieben würde ihn keiner vermissen. Bis dahin würde er bereits eine Knarre an Leahs Schläfe gehalten haben, um von ihr die ganze

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