Dreck
Worte aus seinem Mund hören.
»Was ist, wenn Wyatt schon längst in einem anderen Bundesstaat ist? Wenn er verletzt irgendwo liegt? Oder wenn die Bullen ihn geschnappt haben, es aber nicht verlauten lassen?«
»Sie quatschen zu viel.«
Auf sonderbare Weise wirkte Letterman wie ein durch und durch asexuelles Wesen. Das lag nicht nur an seiner makellosen Alabasterhaut, seine ganze Art ließ jeden Hinweis darauf vermissen. Ihn in diesen Gefilden abholen zu wollen war vermutlich reinste Zeitverschwendung.
Es war schon spät nachts, als sie Leahs Haus erreichten. Die umliegenden Wohnhäuser lagen alle längst im Dunkeln. Leah fühlte einen Hoffnungsschimmer. Wyatt war vielleicht schon da und erwartete sie im Haus. Heimlich versuchte sie mit ihrer linken Hand die Hupe zu betätigen.
Letterman schlug mit der Waffe brutal zu. Vor Schmerz wurde ihr fast schlecht. Ihre Finger krümmten sich und ließen sich nicht mehr öffnen, sie hatte keine Kontrolle mehr über sie.
Letterman öffnete die Beifahrertür, stieg aus und zerrte sie über die Vordersitze an seiner Seite aus dem Wagen. Als sie draußen war, stieß er sie zu Boden und sie fiel gegen die Stoßstange. Mit einem Paar Handschellen kettete er sie daran. »Keinen Mucks«, zischte er.
Sie sah zu, wie er ihren Garten betrat und seitlich ums Haus schlich. Sie zitterte am ganzen Körper, Angst und die eiskalte Nachtluft gingen ihr durch und durch. Von der Autobahn in der Ferne hörte sie das leise Jaulen eines Lasters, der durch die Gangschaltung gehechelt wurde. Ein Wasserhahn tropfte im Garten des Nachbarn.
Letterman kam durch die Vordertür aus ihrem Haus. Da er sie nicht um die Schlüssel gebeten hatte, musste er eine Scheibe eingeschlagen oder das Schloss der hinteren Tür geknackt haben. Sie hatte keinen Laut vernommen. Falls Wyatt im Haus war, hatte er vermutlich auch nichts gehört. Sie fragte leise: »Ist er da?«
Letterman beugte sich hinunter zu ihr und löste die Handschellen. »Nein.«
Er schubste sie ins Haus, und im Wohnzimmer band er mit den Handschellen Handgelenk und Fessel zusammen, danach machte er ein sattes Feuer im Kamin. Anschließend bugsierte er sie in die Küche und fesselte sie an die Kühlschranktür. Er sagte nichts, erklärte nichts. Aus dem Gefrierfach des Kombigerätes holte er eine Packung Fischstäbchen und aus dem oberen Teil diverses Gartengemüse. In der Mikrowelle erhitzte er zuerst den Fisch, dann das Gemüse. Abschätzig verzog er den Mund, als er die Flaschen Adelaide Riesling sah, trotzdem öffnete er eine und füllte zwei Gläser. Dann brachte er sie ins Wohnzimmer zurück, und sie aßen gemeinsam im Widerschein des Kaminfeuers mit den Tellern auf den Knien. Gegen elf führte er sie die Treppe hinauf, fesselte sie an das Kopfende des Bettes, zog den Stecker des Telefons auf dem Nachttisch aus der Dose und machte das Licht aus.
Sie sah nichts mehr von ihm bis zum Morgen. Er entfernte die Handschellen, damit sie duschen und sich umziehen konnte. Er selbst sah erholt und adrett aus. Er hatte es sich hinter dem Sofa im Wohnzimmer auf dem Boden bequem gemacht. Als sie herunter kam, sah sie die Leinentücher und Kissen.
»Er kommt nicht«, sagte sie.
»Halten Sie den Mund.«
Den ganzen Tag über wechselten sie kein Wort miteinander. Stündlich hörte Letterman Nachrichten und reinigte gründlich seine Waffe. Zur Mittagszeit verließ er das Haus und kehrte wenig später mit je einer Ausgabe des Advertisers und der News zurück. Beide hatten die Story des verschwundenen Transporters und der Morde auf der ersten Seite. Als er mit dem Advertiser durch war, reichte er ihn ihr. Sie hatten sogar Fotos von der verlassenen Farm und dem alten Holden, der mit sperrangelweit geöffneten Türen am Tatort stand, abgedruckt. Eine detaillierte Karte verzeichnete das Einsatzgebiet der Polizei. Es gab Berichte, dass ein Schulbus in Aberfieldie abgestellt worden war, der nicht von dort stammte, und die Polizei wollte ihre Aufmerksamkeit nun verstärkt auf dieses Gebiet richten.
»Er wird kommen«, sagte Letterman.
»Aber nicht zu mir.«
»Doch, das wird er.«
Es war kalt geworden im Haus. Nach dem Mittagessen machte Letterman erneut Feuer im Kamin und sie saßen davor bis in die frühen Abendstunden. Ohne Handschellen und Lettermans viertelstündlichem Aufstehen, um aus dem Fenster auf die Straße zu schauen, hätten die beiden fast das schöne Bild eines Ehepaares abgegeben, das sich gemeinsam dem Müßiggang vor knisterndem Kaminfeuer
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