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Dreck

Dreck

Titel: Dreck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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Geschichte zu erfahren.

Dreiunddreißig
    Er musste sich im Geräteschuppen versteckt haben. Als sie das Motorrad verstaut hatte und eben im Begriff war, über den Hof zu gehen, hatte er ihr plötzlich eine Pistole in den Rücken gedrückt und gesagt: »Umdrehen. Aber langsam.«
    Er war ein Cop. Sie konnte es riechen.
    Er war nicht gekleidet wie die üblichen Cops, er verhielt sich auch nicht wie einer, aber sie roch den Cop in ihm. Er dünstete das ganze Misstrauen, das ihnen regelmäßig zur zweiten Haut wurde, die Verachtung und die Aufgeblasenheit von Cops aus. Er hatte wache Augen und die hellste Alabasterhaut, die Leah je gesehen hatte. Und er hatte diesen Cop-Ausdruck im Gesicht, den sie so gut kannte: eine Mischung aus Trostlosigkeit und Zynismus. Seine Augen taxierten sie unbarmherzig, nahmen sie ganz in sich auf und spien sie nach der Analyse wieder aus.
    Als er das nächste Mal den Mund öffnete, wollte er wissen, wo Wyatt war.
    »Wer?«
    Zu dämlich. Er schlug ihr mit dem Knauf seiner Waffe ins Gesicht und riss ihr dabei eine Wange auf. Er wiederholte seine Frage nicht, sah sie nur an. »Ihr habt hier eine Verabredung«, befand er knapp. »Wir werden ihn gemeinsam dort drin erwarten. Los, Bewegung.«
    Sie spürte, wie die Waffe ihr Rückgrat hinauf und hinab glitt, während sie über den Hof gingen.
    Am Haus angekommen, rammte er ihr die Waffe in den Rücken. »In die Küche, los.«
    Er kannte sich also aus. Sie konnte seine Schritte hinter sich hören, als sie über die Veranda gingen. Unsanft stieß er sie durch die Eingangstür.
    Als sie beide im Raum standen, drehte sie sich um und blickte ihn an. »Sind Sie einer von Jorges Leuten? Oder arbeiten Sie für Steelgard? Sie waren es also, der den Transporter gewarnt hat.«
    Zum ersten Mal kam etwas Leben in sein Gesicht, so erstaunt war er nun. »Wovon reden Sie?«
    Sie starrte ihn an. »Ihr habt unseren Coup abgekupfert!«
    »Ich habe wirklich keine Ahnung, wovon Sie reden. Ich will nur wissen, wann Wyatt hier eintrifft.«
    Danach hatten sie sich gegenseitig eine Weile ungläubig angestarrt. Sie erinnerte sich, dass ihr in diesem Augenblick merkwürdige Details auffielen, Dinge, die mit ihm oder dem Grund seiner Anwesenheit überhaupt nichts zu tun hatten. Als Erstes die Schuhe. Nagelneue Wanderschuhe, die noch ganz jungfräulich weich aussahen und eine hellbeige Kreppsohle hatten. Dann die Kleidung. Wie ein Farmer, bis auf die Tatsache, dass die Kluft ebenfalls nagelneu war und die Patina der Jahre alltäglichen Gebrauchs und Verschleißes vermissen ließ. Am Kragen hinten lugte das Preisschild hervor.
    Er fand seine Sprache wieder. »Ist etwas schief gelaufen?«
    Leah fand nichts dabei, auf diese Frage zu antworten. »Der Geldtransporter hat urplötzlich eine andere Strecke genommen.«
    »Und Snyder, Wyatt, der andere – wo sind sie jetzt?«
    Sie zuckte zusammen. Warum war er so gut informiert? Wieder stieg Beklommenheit in ihr hoch: Die ganze Sache war total danebengegangen, Wyatt hatte Snyder erschossen und sie hatte das schreckliche Gefühl, dass nichts zuvor in ihrem Leben, wie übel es auch immer gelaufen sein mochte, je so real gewesen war, wie das, was gerade geschah.
    »Tobin ist abgehauen. Vermutlich nach Hause«, erwiderte sie. »Snyder ist tot.«
    Er sah sie angewidert an. »Wie ist das passiert?«
    »Wyatt hat ihn abgeknallt.«
    Der Mann nickte düster. Die Knarre auf sie gerichtet, ging er rückwärts ans Fenster, um hinauszuschauen.
    »Zum letzten Mal: Warten Sie hier auf Wyatt?«
    Sie riskierte eine Unwahrheit. »Nein. Als uns der Coup vermasselt wurde, haben wir uns getrennt und jeder ist in eine andere Richtung abgehauen. Ich habe keine Ahnung, wo Wyatt steckt.«
    »Verdammte Lüge«, konstatierte ihr der Mann knapp und zog ihr mit dem Knauf der Waffe eins über. Ihre Kiefer klappten mit einem lauten Geräusch zusammen und ihre Vorderzähne verbissen sich in ihre Unterlippe. Sie schmeckte das Blut. Vor Schmerz wurde ihr schwindlig.
    Dann stieß er sie zu Boden. Bitterböse Ironie des Schicksals. Das furchtbare Gefühl, das sie befallen hatte, als Wyatt Snyder erledigt hatte, war in dem Moment wie weggeblasen, als sie auf der Suzuki saß und davonbrauste. Doch wenngleich es am Schrecken des Todes nichts änderte, hatte sie plötzlich Schuldgefühle bekommen. Sie hatte Wyatt im Stich gelassen. Deshalb war sie umgekehrt und zur Farm gefahren. Sie wollte ihn nicht allein lassen. Wäre sie bloß ihrer Wege gegangen. Scheißtypen.
    In

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