Dreck: Roman (German Edition)
den Menschen als etwas völlig anderes zu sehen. Keine Seele, keine Transzendenz, kein früheres Leben, bloß ein Tier, das sich bessere Tricks angeeignet hat. Alles zwecklos.
Galen legte die Daumen um die Brechstange und schob das dünne Blatt zwischen Brett und Wand. Hebelte, ließ ein Ende des Brettes abplatzen und arbeitete sich so lange vor, bis es sich löste, zu Boden fiel. Ging zum nächsten Brett über, ließ die hungrigen dünnen Zähne der Brechstange ihre Arbeit verrichten.
Die Sonne im Nacken. Sein Körper glitschig, das T-Shirt klebrig. Ihm war schwindelig, und das war in Ordnung. Er versuchte, sich in der Arbeit zu verlieren und nicht nachzudenken. Die Furche entlang der Wand ein Ärgernis, weil sie ihn daran hinderte, so nah heranzutreten, wie er wollte. Er musste sich vorbeugen, und sein Rücken verspannte sich.
Das Entfernen der Bretter ging so viel schneller als das Annageln. Galen war im Nu an der zweiten Wand, der mit dem Tor, mit dem Rücken zu den Bäumen. Das alte Schloss noch immer dran. Er wusste nicht, was er damit machen würde. Er hatte noch immer keinen Schlüssel, und es schien zu groß für die Brechstange.
Vorerst würde er sich auf die Bretter konzentrieren. Eins nach dem anderen. Sie fielen wie Schorf herunter, rau und uneben, altes Holz, das nägelgespickt im Drecklag. Galen kam auf den Gedanken, den gesamten Schuppen zu demontieren. Er konnte ein Brett nach dem anderen entfernen und alle in die Plantage schleppen. Schuppen aufgelöst, Bretter in jeder Furche. Der Traktor und die Trockengestelle wären der Sonne und dem Mond ausgesetzt. Ihm gefiel diese Vorstellung. Einfach alles aufzulösen und in der Plantage darauf zu warten, dass das Holz moderte und wieder zu Erde wurde und keinen Hinweis darauf ließ, dass der Schuppen je existiert hatte. Bis dahin war er alt, und sein letztes Projekt bestünde darin, das Haus aufzulösen. Er würde es Brett für Brett auseinandernehmen genau wie den Schuppen, und am Ende wäre nur der Flügel übrig und vielleicht dieser kühle Holzfußboden, dann der Sonne ausgesetzt.
Könnte Galen doch nur lange genug leben, um zu erleben, wie Bretter zu Staub zerfielen. Um hier in der Plantage zu stehen und zuzusehen, wie Mauer und Siedlung zerbröselten, zuzusehen, wie das Land wieder zur Wüste wurde, ohne Wasser, ohne Spur von Zivilisation, um zuzusehen, wie der Regen kam und die Pflanzen wuchsen und Wind und Stürme und Wasser zunahmen, bis er in einem Dschungel aus Palmwedeln und Farnen und Ranken stand und die Luft sich mit Wasser füllte. Galen wollte das. Er wollte nicht Teil der menschlichen Gesellschaft sein. Er wollte sich der geologischen Zeit anschließen. Doch zunächst musste er durch diesen einen Tag kommen, und der allein schien so lang wie der Wandel von Wüste zu Dschungel.
Galen ließ die Brechstange ruhen, nahm ein Brett in die heile Hand und schleifte es zu dem Haufen an derHecke. Zog eine Spur durch den Staub, der einzige Hinweis, den konnte er verwischen. Der Haufen war zu beinahe nichts zusammengefallen, ein paar Reste, aber jetzt würde er wieder wachsen. Galen ging gemächlich zurück zum nächsten Brett. Er glaubte eigentlich nicht, dass Besuch kam. In einem Jahr würde Jennifer ihren ersten Scheck fürs College brauchen. Aber bis dahin, nein. Die Bretter zu entfernen war eine Routine, die er abspulte, noch so eine Inszenierung ohne Publikum.
Er nahm das nächste, schleifte es hinüber und lauschte dem hohlen Geräusch aus dem Holz. Ein leiser Laut über dem Schleifen, etwas, das sich über die gesamte Brettlänge zog. Immer wieder etwas Neues zu hören und zu sehen. Man konnte gar nicht wach genug sein. Er warf das Brett auf den Haufen und beugte sich vor, Hände auf den Knien. Er fühlte sich verloren, ein Vakuum in ihm. Er musste atmen, sich nur auf seinen Atem konzentrieren, dann richtete er sich wieder auf.
Eins nach dem anderen schleifte er die Bretter hinüber, und die Sonne senkte sich. Sie war langsam, aber sie senkte sich. Er nahm das Brecheisen wieder auf und hebelte die im Schatten liegende Ostwand auf. Vor der Sonne verborgen. Versteckt vor allem, bis auf seine Mutter vielleicht. Er fragte sich, ob sie ihn noch sehen und hören konnte, seine Umrisse in den Ritzen, vor dem Himmel. Am ehesten an der Westwand, wo er vermutlich einen Schatten warf, viel schwieriger an dieser Wand. Ein friedlicher Abschied, Mangel an Wasser. Ein Schwindel und eine Ruhe, die schließlich ins Nichts blendet, eine Meditation über
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