Dreck: Roman (German Edition)
los. Weil eine Ameise nie darüber nachdenken musste, was sie tat. Es gab keine Ameisen, die ihre Mutter verstehen wollten.
Ich verstehe nicht viel, sagte Galen. Ich arbeite daran, verstehe aber immer noch nicht viel. Ich habe ein paar Ahnungen. Ich weiß, dass sie versucht hat, ihren Vater ins Gefängnis zu stecken. Ich weiß, dass sie uns beide verwechselt. Und weil sie ihren Vater gehasst hat, hat sie mich vielleicht auch immer gehasst. Kann sein, dass von Anfang an Krieg herrschte, und entweder sie musste sterben oder ich.
Er fuhr mit der heilen Hand durchs Eichenlaub, all die kleinen Dornen. Die Erde darunter trocken. Er wischte einen Flecken frei und sah Risse.
Er dachte an seine Fick-Grimasse, daran, dass seine Mutter sie gesehen und sein Stöhnen gehört hatte, als er auf Jennifer kam. Wie er sich geschämt hatte. Das war das Problem mit Müttern. Immer auf dem Beobachtungsposten, dabei sollte doch keiner sehen, was aus uns wurde. Vielleicht müssen unsere Mütter sterben. Die Vorstellung, dass wir mit unseren Müttern schlafen und unsereVäter umbringen wollen, war lächerlich. Die Väter waren noch nicht mal aufzufinden.
Krieg von Anfang an. Vielleicht müssen unsere Mütter uns auch töten. Seine Großmutter konnte nicht gut sein, solange Helen lebte. Sie würde sich niemals als gut empfinden können. Ihr gesamtes Leben musste fortwährend verdrängt werden. Und Helen würde ihre Kindheit niemals auslöschen können, bis sie Jennifer ausgelöscht hatte. Jennifer eine unwillkommene Erinnerung.
Helen kämpfte für Jennifer, versuchte, sie vor Übervorteilung und Lüge und Geld und allem anderen zu schützen, doch niemand hatte Helen in jungen Jahren zu schützen versucht, und aus Zorn darüber misshandelte sie Jennifer. Jennifer hatte behauptet, so zeigten sie ihre Liebe. Also war Helen gewissermaßen eine Tragödie, weil sie ihre Tochter zu retten versuchte und dabei zerstörte, jeder Schritt ihres Lebens ein blinder Schritt, alle Bemühungen durch alle anderen Bemühungen zunichtegemacht. Und Galens Mutter sogar noch blinder, weil sie einen Sohn als Ehemann hielt, um einen Vater zu bestrafen.
Dieses Land war nicht als Wohnstatt gedacht. Hier konnte man nicht heimisch werden. Seine Familie war aus Deutschland und Island gekommen und hatte sich mitten in der Wüste niedergelassen. Sie hatten eine Hecke hochgezogen, sich von einer Baufirma die Mauer hochziehen lassen und von anderen Menschen abgesondert. Sie hatten das einzige Land auf der Welt gefunden, das es ermöglichte, vollkommen losgelöst von anderen zu leben. Das einzige Land, in dem man Familie auf die Familie selbst reduzieren, abschotten konnte, und sein Großvater hatte diese Familie nach seinem Abbild geformt, Gewalt und Scham geschmiedet, die eine unaufhaltsame Dynamik entwickelten. Helen hatte eine Tochter und sah sich selbst in dieser Tochter und strafte. Galens Mutter hatte einen Sohn und sah ihren Vater in diesem Sohn und strafte. Helen und seine Mutter machten im Prinzip das Gleiche, beide unkontrolliert.
Galen wusste nicht, wie er einen anderen Weg finden sollte. Er würde darauf warten, dass seine Mutter starb, aber was danach passierte, wusste er nicht. Vielleicht holte er seine Großmutter nach Hause. Das erschien ihm richtig. Darüber hinaus allerdings wusste er gar nichts.
Galen wurde von einigen roten Ameisen gebissen, was nervte, also kroch er unter der Schlegeleiche hervor und richtete sich im hohen Gras auf. Gelbbraunes Meer und er, eingetaucht bis zu den Schultern. Er watete weiter ins Nichts, und Traurigkeit durchströmte ihn. Eine müde, schwere Traurigkeit. Trockene Halme, kein Wind, die drückende Sonne, und die Traurigkeit hing ihm von jeder Rippe. Das war keine Meditation, bloß Schwere. Seine Familie ein Gewicht. Besser, keiner von ihnen wäre jemals gewesen. Er ging und wurde verbrannt und gekratzt und im Vorbeigehen von unzähligen Dingen gepiekst, und einzig das Gehen war ihm geblieben, im Kreis zu gehen, bis er schließlich wieder am Rande des Rasens stand und auf das künstliche Grün herabblickte, die Oase.
Der Haufen auf dem Rasen gehörte aufgeräumt. Das Zimmer seiner Mutter auch. Und die Bretter um denSchuppen und die Furchen auch. Das Schloss. Irgendjemand würde es entdecken. Er musste alle Indizien beseitigen.
Als er an sich hinuntersah, auf den Dreck, der Füße, Beine, Bauch bedeckte, wusste er, dass er das zuallererst beseitigen musste. Wer ihn so sah, würde sich Fragen stellen.
Galen ging ins
Weitere Kostenlose Bücher