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Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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Haus, auf sein Zimmer, unter die Dusche. Kalt zunächst, ein unmittelbares Frösteln, der unglaubliche Kontrast zur Glut. Aber dann wurde das Wasser wärmer, und er stand da und sah Schlammrinnsalen nach, den Deltas, die sich zwischen seinen Beinen bildeten wie Adern, ein Geflecht aus Außenadern, unser Blut außerhalb des Körpers, von der Welt zur Verfügung gestellt. Schlamm, der an ihm klebte, große dunkle Inseln, feuchtschwarz, und Flüsse, die zwischen ihnen die Ufer anknabberten, Flüsse, die rötlich waren von der freigelegten, versengten Haut.
    Alles brannte. Am schlimmsten seine Hand, aber auch die versengte Haut. Er drehte das heiße Wasser auf, wollte seine Haut glühen sehen, wollte, dass die Flüsse glommen. Der Schlamm beharrlich, haftend und schwer, eingebrannt. Von Armen, Schultern und Brust, dort, wo das Wasser auftraf, größtenteils weggewaschen, doch zäh an den Oberschenkeln und praktisch unberührt an den Waden. Rote Flüsse, die sich langsam ausdehnten.
    Galen wusste nicht, was es zu bedeuten hatte, aber er wusste, dass der Schlamm sein Lehrer war, die Erde. In jedem Augenblick, ganz plötzlich, lehrte ihn die Erde etwas. Besser als Studieren. Was er vielleicht doch nie tunwürde, nicht mal mit all dem Geld. Vielleicht fing er einfach hier mit dem Lernen an, in diesem alten Haus, in dieser Plantage.
    Aber es war schwer, an eine Zukunft zu glauben, schwer, sich darum zu scheren.
    Er hatte solche Schmerzen, dass er schließlich das kalte Wasser aufdrehen musste. Sein ganzer Körper pulsierte heiß. Einhändig hantierte er mit dem Shampoo, versuchte, es ins Haar zu massieren, aber da war zu viel Dreck. Der Scheitel verkrustet, also steckte er den Kopf unter den Wasserstrahl und fuhr lange Zeit mit einer Hand darüber. Es fühlte sich richtig an, dort mit gebeugtem Kopf zu stehen und mit einer Hand darauf zu rubbeln, ein Ausdruck von Verzweiflung. Er stöhnte ein wenig dazu, und auch das fühlte sich richtig an. Warten auf den Tod der Mutter. Die Transzendenz schien weit weg. Das große Problem war, dass er nie weit genug blicken konnte. Wie sollen wir Transzendenz erreichen, wenn wir immer wieder in den Hinterhalt geraten?
    Große Schlammschlieren auf den Oberschenkeln, als er sie mit Seife schrubbte. Schwarz wurde hellbraun und verschwand. Kiesel sammelten sich im Ausguss und Laubspitzen und Gras und Dornen.
    Hinunter zu den Waden, schrubben, bis der letzte Dreck weg war, ein Verlust. Es hatte sich richtig angefühlt, von Dreck bedeckt zu sein. Jetzt war er nackt.
    Er stellte das Wasser ab. Seine Hand sah nicht gut aus. Wund und aufgedunsen und rot an den Rändern, entzündet. Er trocknete sie vorsichtig ab und suchte nach Neosporin-Salbe. Neosporin war Glaube an die Zukunft. ImSchränkchen fand er sie, trug sie großzügig auf, wickelte die Hand in sauberen Mull, trottete in sein Zimmer, zog ein sauberes T-Shirt an und Shorts, saubere Socken und seine schmutzigen alten Converse-Turnschuhe. Dann ging er in ihr Zimmer.
    Alles auf dem Fußboden. Das Bett dunkel vor Dreck. Er war müde. Er wollte sich jetzt nicht darum kümmern. Und der Schuppen war sowieso wichtiger. Er musste die Bretter lösen, die er rundherum angenagelt hatte als eine Art Gürtel. Das fiel auf.
    Halbwach, sagte Galen. Halbwach spulen wir unsere Routine ab. Ich habe all diese Nägel eingeschlagen, und jetzt muss ich sie wieder rausholen.
    Die Treppe runter in die Küche, wo er große Schlucke Wasser trank, so viel Durst, und zwei Stück Brot aß und noch mehr Wasser trank.
    Es war inzwischen später Nachmittag. Verstreichen von Zeit. Genau das wollte er. Er wollte, dass der Tag verging, aber die Zeit war so langsam.
    Der Schatten hing von der Ostwand, streckte sich in die Furchen. Er legte ein Ohr an die Wand, versuchte, ein Zeichen von ihr zu erlauschen, und sei es nur das leiseste Atmen, aber sie war verschwunden. Er wollte nicht zu früh rein und sie lebend vorfinden. Denn wenn er sie lebend fand, musste er einen Krankenwagen rufen. Das nicht zu tun wäre unmöglich. Also musste er warten.
    Er ging zum Geräteschuppen, fühlte sich zu sauber, zu unverbunden. Er war nicht mehr Teil dieses Ortes. Er blickte sich nach einem Hammer um, bis ihm einfiel, dass es mit einer Brechstange wahrscheinlich schnellerging. Sein Großvater hatte drei davon, sie standen in einer Ecke. Altes Metall, unlackiert, ölbeschmiert, rau an den Kanten. Galen nahm die schmalste, kürzeste, und selbst die war schwer. Werkzeugnutzer. Es war möglich,

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