Drecksspiel: Thriller (German Edition)
Tatort, in der Wohnung des Opfers …«
»Du glaubst doch nicht ernsthaft …«
»Mensch, Toni, was ich glaube, spielt keine Rolle. Ich halte mich an Spuren, Indizien und Beweise.«
Toni klammerte sich an seine Jacke, als könnte sie ihn davor bewahren, kraftlos auf die Couch zu fallen. »Was hast du jetzt vor?«
»Wir fahren aufs Revier«, sagte Theis. »Wir müssen uns unterhalten. Außerdem brauchen wir eine DNA-Probe von dir. Ein richterlicher Beschluss liegt bereits vor. Und das hier«, er griff nach einem Zettel, den Blundermann ihm reichte, »das ist ein Durchsuchungsbeschluss für deine Wohnung.« Er gab den Streifenbeamten ein Zeichen. »Gehen wir.«
Blundermann stand auf.
Tonis Blick wechselte entgeistert zwischen seinen Kollegen. »Das ist nicht euer Ernst? Ihr wollt das vor den Augen meiner Jungs durchziehen?«
»Nein, wollen wir nicht«, sagte Theis. »Aber bisher konnten wir deine Frau nicht erreichen.«
»Da geht es euch wie mir.«
Theis hob bedauernd die Schultern.
»Wartet«, Toni streifte sich die Jacke über und trat auf seine Söhne zu, »ich regel das.«
Blundermann hielt ihn am Arm fest.
Theis sagte: »Du verlässt das Zimmer nicht.«
»Ich bring sie zu meiner Nachbarin.«
Blundermann sah fragend zu Theis. Der zuckte mit den Achseln. »Toni, gib mir dein Handy.«
Toni holte es aus seiner Hosentasche und reichte es seinem Kollegen. Dann nahm er seine Söhne an die Hand.
*
David betrat einen Flur, der diesen Namen nicht verdiente.
Auf einer schmalen Sitzbank waren offenbar seit Wochen Einkaufstüten, Verpackungen, Briefe und alte Zeitungen angehäuft worden. Schuhe lagen wahllos am Boden verstreut. Er stolperte über eine zerknüllte Bluse.
Im Wohnzimmer bot sich ihm ein ähnlicher Anblick. Kleidungsstücke hatte man auf der Couch abgelegt, auf einem Fußschemel, in den Regalen, in denen sich neben verstaubten Büchern und Zierrat noch mehr Zeitungen stapelten. Über das Parkett waberten Staubflusen.
Das verzagte Gesicht von Horsts Tochter ließ keinen Zweifel daran, wie unglücklich sie über Davids Anwesenheit war. »Sie müssen das Chaos entschuldigen, aber seit Papa …« Ihr Blick fand ein Bild an der Wand, das ihren Vater in tadelloser Uniform zeigte. »Mama geht es nicht mehr so gut.«
Horsts Witwe erreichte den Wohnzimmertisch, auf dem neben einem vollen Wasserglas mehrere Medikamentenschachteln lagen. Sie bückte sich nach einer der Packungen.
»Nein, Mama«, Susanne entwand ihr die Medizin und bugsierte ihre Mutter aufs Sofa, »die Tabletten musst du erst später nehmen. Wenn deine Uhr piept.«
Mit einem Seufzen sank die alte Frau auf die Couch und griff nach dem Glas. Während sie daraus trank, schwappte Wasser über den Rand und tropfte auf das Parkett.
»Mama, bitte sei vorsichtig.«
Ihre Mutter schien sie nicht zu hören. Mit entrückter Miene leerte sie das Glas, während noch mehr Wasser über ihr Kinn rann und zu Boden platschte. Mit einem Mal erschlaffte ihr Körper. Das Glas entglitt ihren Händen.
David war rechtzeitig zur Stelle und fing es auf. Er stellte es auf den Tisch.
»Danke«, sagte Susanne verlegen. Mit einem Handtuch tupfte sie ihrer Mutter das Gesicht ab, danach wischte sie das Parkett trocken.
Das Schmatzen, mit dem Horsts Witwe sich die Lippen leckte, füllte die Stille.
Susanne räusperte sich. »Sie waren also ein Kollege meines Vaters?«
»Bis vor fünf Jahren.« David schob ein paar Kleidungsstücke beiseite und setzte sich aufs Sofa. »Wir haben mehrmals zusammengearbeitet.«
»An der Grenze?«
»Die tschechische Grenze, ja.« Er sah zu dem Porträt an der Wand. David glaubte sich an den Tag zu erinnern, Horsts zwanzigstes Dienstjubiläum, an dem das Foto aufgenommen worden war. Und an die kleine tschechische Kneipe, in der sie zu später Stunde billigen Fusel in sich hineingekippt hatten, als wollten sie ihre Vergangenheit ein für alle Mal ertränken. »Hat er noch immer dort gearbeitet?«
»Nein, er hatte aufgehört. Wussten Sie das nicht?«
»Wir haben uns leider aus den Augen verloren.«
Ein grimmiger Ausdruck legte sich über Susannes Gesicht.
»Was ist passiert?«, fragte David.
Sie faltete das Handtuch und ließ sich neben ihrer Mutter auf der Couch nieder. Es dauerte einige Sekunden, ehe sie antwortete. »Es ging nicht mehr. Diese andauernde Gewalt. Drogenhandel. Prostitution.«
»Ich verstehe.« Und das tat er tatsächlich.
Wieder schwiegen sie eine Weile. Nur das Schmatzen von Horsts Witwe war zu hören.
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