Drei Eichen (German Edition)
schwungvollen Bewegung zurück auf den Dreckhaufen auf dem Laster. »So, des war’s, Herrschaften, genuch geblauderd!«, rief er und klatschte in die Hände. »Jetzt gehd’s widder an die Arbeid. Heut nach Feierabend gibt’s zwaa Käsden Bier extra – und nacherd Schwamm drüber. Aber nur, wenn ihr die verblemberde Zeit widder reiholt.«
Mit diesen Worten machte Fiesder sich ohne Erwartung weiterer Widerrede auf den Rückweg zu seinem Hubschrauber, neben dem sein Pilot bereits hektisch die nur halb gerauchte Zigarette im Waldboden ausdrückte. Indem er seinen Hut mit einer Hand auf dem Kopf fixierte, stieg Fiesder in seinen Hubschrauber und warf seinen Arbeitern noch einen letzten autoritären Blick zu.
Mit der versprochenen Bierentlohnung im Hinterkopf beeilten sich die Männer, so rasch wie möglich ihre Arbeit wiederaufzunehmen, während ein unglücklich dreinschauender Hubert Fiederling nicht so recht wusste, was er mit der moralisch unbefriedigenden Situation anfangen sollte. Zuerst schaute er seinem Chef noch flehentlich hinterher, aber schließlich wandte auch er sich resigniert um und machte das, was er schon den ganzen Tag gemacht hatte: den Bagger beaufsichtigen.
Der Bestatter war auf ein ungewohntes Problem gestoßen. Sein Sack war zu klein. Und zwar deswegen, weil der Pfeil zu lang war. So würde Sachse auch mit allem Zerren und Ziehen den Reißverschluss nie schließen können. Er musste improvisieren. Er zog die beiden Reißverschlüsse des schwarzen Leichensacks von rechts und links bis an den im Rücken der Leiche steckenden Pfeil heran. So schaute der Pfeil eben oben aus dem Sack heraus, aber das konnte er jetzt auch nicht ändern. Dieser Tag dauerte inzwischen entschieden zu lang für ihn, als dass er sich auch noch mit optischen Nebensächlichkeiten aufhalten würde.
Er ging zurück, um seinen Leichenwagen zu holen. Das Mordopfer musste heute noch nach Erlangen in die Gerichtsmedizin gebracht werden. Mental stellte sich Sachse schon auf den einen oder anderen dummen Kommentar von Siebenstädter ein. Einen Toten mit Pfeil im Rücken hatte der wahrscheinlich auch nicht alle Tage auf seinem Seziertisch liegen. Während er nach den Wagenschlüsseln fummelte, sah er einen Landrover den steilen Anstieg zum Staffelberg heraufkraxeln. Aha, der Herr Kriminalhauptkommissar Franz Haderlein gab sich auch noch die Ehre. Wenn das der Fall war, musste dieser Tote zu Lebzeiten wohl etwas Besseres gewesen sein, sonst hätte Lagerfeld die Ermittlungsparty hier allein geschmissen. Sachse lächelte verschmitzt in sich hinein, während er die Fahrertür seines Wagens öffnete. Die illustre Hochzeitsgesellschaft – minus Bräutigam natürlich – würde jetzt ihr blaues Wunder erleben, wenn sie sah, dass ein Kommissar der Bamberger Polizei mit einem leibhaftigen Polizeiferkel die Ermittlung aufnahm.
Franz Haderlein parkte seinen Freelander neben der Kapelle, als Leonhard Sachse die Leiche in seinen Wagen lud. Er stellte die Riemenschneiderin auf den Boden der Tatsachen, leinte das Ferkel an und ging zu dem Bestattungsunternehmer hinüber, um noch einen Blick auf das Mordopfer zu werfen. Sachse öffnete bereitwillig den Sack, und Haderlein musterte den Toten von oben bis unten. Ein äußerst gepflegt wirkender, etwa fünfundvierzig Jahre alter dunkelhaariger Mann steckte in einem edlen Hochzeitsanzug, während in ihm selbst die Mordwaffe steckte. Haderlein sah genauer hin. Das Geschoss hatte den Anzug des Mannes glatt durchdrungen, die Spitze ragte etwa drei Zentimeter auf der Brustseite heraus.
»Tja, Riemenschneider«, sagte er zu seinem herumschnüffelnden Schweinchen, »tja, das hatte ich in meiner Laufbahn auch noch nicht, wenn ich ehrlich bin.« Nachdenklich kraulte er das kleine Ferkel hinter den Ohren, dann gab er dem Bestattungsunternehmer ein Zeichen, den Sack wieder ordnungsgemäß zu verschließen.
Mit Riemenschneider gesellte sich Haderlein zu Lagerfeld, der mit Heribert Ruckdeschl, dem Chef der Spurensicherung, in ein intensives Gespräch vertieft zu sein schien. Da er die beiden in ihrer Unterhaltung nicht stören wollte, betrachtete er erst einmal den Tatort. Das Hochplateau des Staffelbergs war von der Kapelle bis zum südlichen Steilabfall mit Trassierband abgesperrt worden. Überall liefen weiß gekleidete Mitarbeiter der Spurensicherung herum, den Blick suchend auf den Boden gerichtet. Am Südeingang der Kapelle herrschte zwischen zwei alten Bäumen besonders viel Betrieb. Auf der anderen
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