Drei Eichen (German Edition)
Seite des Hochplateaus, dem nicht abgesperrten Teil von der Kapelle bis hinüber zur Staffelbergklause, standen, saßen oder liefen traumatisiert wirkende Mitglieder der Hochzeitsgesellschaft herum. Wenn Haderlein sich nicht täuschte, war sogar der Bamberger Weihbischof Klepper in vollem Ornat unter ihnen. Anscheinend hatte er hier die Trauung vollziehen sollen. Zwischen den Gästen konnte er ein paar wenige Touristen oder Wanderer erkennen, die wohl einen Ausflug hierher gemacht hatten. Insgesamt also etliche sehr gut angezogene Menschen mittleren Alters, deren Tagesplanung etwas aus dem Ruder gelaufen war. Ganz hinten, auf der Terrasse der Staffelbergklause, stand ein älterer, nobel in schwarze Hose und dunkelblaue Jacke gekleideter grauhaariger Herr, den Haderlein von irgendwoher zu kennen glaubte. Aber er konnte sich auch irren, außerdem würde er die Identität des Mannes früher oder später sowieso herausfinden. Wie auch immer, es wurde Zeit, dass irgendwer ihn mal erleuchtete, was hier eigentlich genau passiert war. Haderlein ging zu seinem Kollegen und tippte Bernd »Lagerfeld« Schmitt auf die Schulter. Als der sich umdrehte, legte sich ein erfreutes Lächeln auf sein bis dahin so grüblerisches Gesicht.
»Mensch, Franz, bin ich froh, dass du da bist«, sagte er erleichtert.
Wenn Haderlein aber geglaubt hatte, das grüblerische Gesicht seines lieben Lagerfelds hätte den abstrusen Mordfall und dessen ungewöhnliche Sachlage zum Grund, so lag er damit ziemlich daneben. Seinen untergebenen Kommissar beschäftigten vielmehr die menschlichen Unwägbarkeiten seines Berufes.
»Du, Franz, das mit der Befragung von der Braut, kannst du das nicht übernehmen? Ich hab vorhin schon versucht, die zu interviewen, aber die hat in einer Tour geheult.« Lagerfeld schaute seinen älteren Kollegen flehend an.
Haderlein zog halb amüsiert, halb genervt die Augenbrauen hoch. Das war ja mal wieder Lagerfeld live und in Farbe. Was den analytischen Teil seines Berufsbildes anbelangte, so war er ein ausgesprochen fähiger Kriminalkommissar, aber im zwischenmenschlichen Bereich haperte es doch gewaltig. Kein Wunder, dass seine Freundin manchmal bei dem Versuch verzweifelte, ihrem Bernd etwas mehr Empathie beizubringen.
Doch Haderlein musste wohl oder übel zugeben, dass genau das das Schwierigste am Dasein als Polizist war. An Leichen gewöhnte man sich, wenn sie auch noch so verunstaltet waren. Deren Anblick konnte man mit der Zeit ertragen, aber die Todesnachricht den Angehörigen zu überbringen und ihre Reaktionen zu verkraften, damit kam auch er nicht immer klar. Äußerlich hätte ihm nie jemand etwas angemerkt, aber auch für ihn gab es Momente, in denen er sich einen Fachmann für solche Fälle wünschte, jemanden, der ihm diese schweren Momente abnahm. Insofern konnte er Lagerfeld nur zu gut verstehen. Und trotzdem musste der jüngere Kommissar lernen, mit Situationen dieser Art umzugehen. Doch eine Braut, deren Ehemann während der Hochzeitsfeierlichkeiten ermordet worden war, das war wohl doch noch eine Nummer zu heftig für seinen Kollegen, der ihn nun wieder bedrängte.
»Ich fahr dafür auch nach Erlangen und hör mir dem Siebenstädter seinen Mist an«, legte Lagerfeld nach.
Haderlein grinste. Das war allerdings ein verlockendes Angebot, denn Siebenstädters pseudokollegiales Geschwafel war auch nicht gerade einfach zu ertragen.
»Meinetwegen, Bernd«, sagte er gönnerhaft. »Aber davor hätte ich noch gern ein persönliches Briefing über den Aufstand hier, wenn’s nicht zu viel verlangt ist.«
Der Leiter der Spurensicherung, Heribert Ruckdeschl, stand wortlos neben den beiden Kommissaren. Er lehnte sich an die südseitige Kapellenwand und wartete auf den Ausgang des Disputes. Bei den beiden konnte man mit einer vorschnellen Bemerkung schon mal zwischen die Fronten geraten. Erst als Lagerfelds bittender Blick auf ihm ruhte, stieß er sich von der Kapellenwand ab und schlug seinen Ordner mit den Notizen auf.
»Also«, begann er seinen Vortrag, während er sich breitbeinig vor Haderlein und Bernd Schmitt aufbaute, »der Ermordete ist ein gewisser Josef Simon, siebenundvierzig Jahre alt, deutsch-amerikanischer Staatsbürger und der geplante Bräutigam des heutigen Tages. Bevor der traurige Akt vollzogen werden konnte, hat ihm irgend so ein Robin Hood das Lichtlein ausgeblasen. Astreiner Schuss, von hinten genau ins Schwarze. War ein echter Könner«, knurrte er fast anerkennend. Ein mitleidiger Ausdruck
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