Drei Eichen (German Edition)
kamen, haben niemanden gesehen, der den Weg runtergerannt ist. Die sitzen jetzt übrigens alle in der Klause, sind ja trotzdem irgendwie Zeugen.«
Haderlein überlegte und schaute ins Tal hinunter, wo Loffeld und Horsdorf friedlich in der Mittagssonne lagen. Eigentlich hätte das heute ein ganz gewöhnlicher, friedlicher Pfingstfeiertag sein können. Er seufzte. »Das da unten in Loffeld, das ist doch eure Mühle, Bernd, oder?«
Der junge Kommissar nickte, ohne sich wirklich um einen Blick ins Tal zu bemühen. Sein Heim, in dem er seit Kurzem mit seiner Freundin Ute von Heesen zusammenwohnte und das sie unter Aufbietung aller Finanzen, aber vor allem ihrer gesammelten gemeinsamen Beziehungskompetenz renoviert hatten, löste im Augenblick keine Begeisterungsstürme in ihm aus. Die kleine alte Mühle, die sie gekauft hatten, war wunderschön und romantisch, hatte ihm und seiner Ute aber schon jetzt den letzten Nerv geraubt. So ein altes Haus war die reinste Sparbüchse, und der nächste Akt baulicher Art stand auch schon wieder an. Das Mühlrad sollte renoviert werden, weil Ute sich einbildete, ihren eigenen Strom erzeugen zu müssen, da dieser in der Zukunft ja immer teurer werden würde. Lagerfeld stöhnte bei dem Gedanken kurz auf. Das konnte ein arbeitsreicher Sommer werden.
Haderlein wusste das alles natürlich, deswegen war seine Frage auch rein rhetorischer Natur gewesen. Er streichelte der Riemenschneiderin kurz über den Kopf, dann drehte er sich wieder zu Lagerfeld und Heribert Ruckdeschl um. »Ist ja auch egal«, verkündete er entschlossen, »dann wollen wir mal schauen, ob wir diesen Fall pfingstlich erleuchten können. Ich werde mir die Hochzeitsgesellschaft vornehmen, und du, Bernd«, mit diesen Worten drückte er dem Kollegen die Leine von Riemenschneider in die Hand, »du gehst mit unserer Supernase den Weg hinunter Gassi. Vielleicht findet Riemenschneider ja was von Bedeutung.«
»Äh, Moment mal, bis ganz runter? Aber das sind locker und leicht zweihundert Höhenmeter«, protestierte Lagerfeld. Jeder Anflug von sportlicher Betätigung war ihm von jeher zutiefst zuwider.
»Dann eben so weit, wie Riemenschneider laufen kann und will. Ich habe den Eindruck, sie ist die Einzige hier, die so etwas wie einen Plan hat«, sagte Haderlein bestimmt. »Ich für meinen Teil werde mich mit der verschreckten Hochzeitsmeute beschäftigen. Das ist es doch, was du wolltest, oder etwa nicht?« Auffordernd schaute er Lagerfeld an, der wortlos seine Zigarette über den Abgrund schnippte und sich mit dem Ferkel missmutig auf den Weg ins Tal begab.
Der Bagger hob Schaufel für Schaufel Erde aus dem Teil des Waldes, der irgendwann das riesige Fundament des Windrades beherbergen sollte. Hubert Fiederling hatte sich bemüht, nicht mehr genauer hinzusehen, und einfach weiter business as usual zu machen. Aber sein Versuch war nicht erfolgreich gewesen, schließlich hatte er ja hier die Oberaufsicht, und ergo musste er einfach hinschauen. Also sah er natürlich, dass mit den ersten Schaufeln, die der Caterpillar nach Wiederaufnahme seiner Arbeit in den Lastwagen geschüttet hatte, weitere gelbe Plastikteile – wahrscheinlich mit entsprechendem Inhalt – auf der Ladefläche entsorgt wurden. Ab circa Schaufelladung Nummer vier war der Spuk allerdings vorbei, und er konnte im Aushub beim besten Willen nichts anderes mehr erkennen als Dreck, Wurzeln und Steine. Der Umstand verschaffte ihm eine gewisse Erleichterung, sodass er immer besser verdrängen konnte, dass sein Chef den offensichtlichen Leichenfund völlig ignoriert und zu einem prähistorischen und damit lästigen Keltenüberrest degradiert hatte.
Als Fiederling am Abend dieses denkwürdigen Tages vor einem gigantischen, sauber ausgehobenen Loch stand, war seine Welt wieder einigermaßen im Lot. Die unzähligen Wagenladungen Aushub waren weggeschafft und zum Verfüllen der ICE -Strecke von Bamberg nach Erfurt verwendet worden. Alles, was sich jemals in dem Erdreich befunden hatte, wurde nun oberhalb der netten Gemeinde Meschenbach für immer und ewig unter der nagelneuen ICE -Trasse verbuddelt. Er brauchte sich also keine Gedanken mehr darüber zu machen, womöglich als Helfershelfer bei der Vertuschung einer Straftat behilflich gewesen zu sein. Er schaute an den Horizont in die untergehende Abendsonne und atmete tief durch. Er würde diesen Vorfall jetzt einfach mal vergessen und sich ein bis zwei Bier genehmigen.
Mehr oder minder von Sorgen befreit, machte sich
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