Drei Engel für Armand
brauchst.«
»Trittibar hat uns geholfen«, sagte Danielle. »Die meisten Elfen in deiner Geschichte haben versucht, dir zu helfen. Selbst nachdem du verflucht worden warst, hat die letzte Elfe noch getan, was sie konnte, um dich zu beschützen. Oder hat es sich in Wirklichkeit gar nicht so abgespielt?«
Schnee war absichtlich von ihnen abgerückt und hatte während ihres Gespräches in einem Bündel herumgekramt, das Trittibar im letzten Moment noch hereingeworfen hatte. Jetzt beförderte sie einen unregelmäßig geformten Ball von der Größe ihres Kopfs ans Licht, der durchsichtig auf der einen Seite, weiß auf der anderen und mit einer dicken, roten Flüssigkeit gefüllt war. Schnee zog ihr Messer und stach ein Loch in die Haut. »Granatapfelsaft«, erklärte sie und saugte etwas von dem Getränk heraus. Sie wischte sich das Kinn am Handrücken ab. »Du solltest es ihr erzählen, Talia.«
»Und du solltest dich da raushalten!«
Schnee streckte eine saftbefleckte Hand aus und legte sie Talia auf den Arm. »›Wissen ist die wichtigste Waffe‹. König Phillipe der Zweite sagte das. Je mehr Danielle weiß, desto besser wird sie auf das Kommende vorbereitet sein.«
»Phillipe. Ist das nicht der, der sich einen Langpfeil durch die Kehle jagen ließ?« Talia entzog sich Schnees Berührung. »Wissen mag ja eine gute Waffe sein, aber es ist eine lausige Rüstung.«
»Ich wollte dich nicht aufregen«, entschuldigte sich Danielle.
»Natürlich nicht. Alle haben immer nur die allerbesten Absichten.« Talia schnaubte verächtlich und verbannte ein paar Strähnen schweißnassen Haares hinter ihr Ohr. »Sicher, die Elfen schenkten mir ihre Gaben. Manchen von ihnen bereitet es großes Vergnügen, uns niedere Menschen zu ›verbessern‹. Sie schenkten mir Anmut, Schönheit, die Stimme eines Engels … alles, was eine Prinzessin braucht, um ihren zukünftigen Gatten zu befriedigen.«
Sie griff in ihre Tasche und zog die spindelförmige Zaraq heraus, die sie aus dem Palast mitgenommen hatte. »Und dann war da der Fluch, dass ich bis zu meinem sechzehnten Geburtstag sterben sollte.«
»Aber das bist du nicht«, sagte Danielle. »Die letzte Elfe hat dich gerettet. Du kannst eben nicht alle über einen Kamm –«
»Die letzte Elfe hat mich zerstört«, sagte Talia. Ihre dunklen Augen waren gefühllos und leer. »Sie verdrehte den Fluch: Statt des Todes brachte der Zauberbann unendlichen Schlaf. Nicht nur mir, sondern jedem im Schloss. Sie ließ eine Dornenhecke um unser Zuhause wachsen, um uns vor der Welt zu beschützen. Wir schliefen ein Jahrhundert lang.«
»Bis dein Prinz kam«, sagte Danielle.
Talia schlug mit dem Griff der Peitsche so hart gegen den Korb, dass Karina ein protestierendes Kreischen ausstieß.
»Dieser Prinz war mein Ururgroßneffe oder so was. Nachdem unser Schloss verschwunden war, beanspruchte mein Onkel den Thron. Jahrelang hackten sie sich ihren Weg durch die Hecke, bis sie schließlich durchbrachen. Sie brachten meine Eltern, meine Brüder, meine Schwestern um, jeden, der vielleicht eines Tages hätte erwachen und ihre Herrschaft anfechten können. Der einzige Grund, weshalb sie mir zu leben erlaubten, ist, dass sie nicht wussten, welche Auswirkungen mein Tod auf den Elfenzauber haben würde.«
Danielle hätte gern die Hand ausgestreckt und Talia ihr Mitgefühl ausgedrückt, so schwach und wertlos ihr Trost auch sein mochte. Doch sie bezweifelte, dass Talia eine solche Geste zu schätzen gewusst hätte. »Was geschah dann?«
»Der Prinz weckte mich auf«, fuhr Talia fort. »Wenigstens in diesem Punkt stimmen die Geschichten.« Sie rieb die Hände gegeneinander, als ob sie versuchen wollte, sie zu reinigen. »Einhundert Jahre schlief ich, und nicht ein einziges Mal kamen diese Elfen zurück, um nachzusehen, wie es meiner Familie ging. Die eine, die mich verfluchte, tat das aus Gehässigkeit. Aber es waren ihre Gefährtinnen, die uns durch ihre Blindheit und Gleichgültigkeit zugrunde gerichtet haben.«
Danielle drehte sich zu Schnee um, die den Granatapfelsaft weggelegt hatte und durch die Seitenwand des Korbs schaute.
»War es bei dir auch so?«, wollte Danielle wissen. »In den Geschichten hört sich dein Leben so schrecklich an, aber es heißt, dass du am Ende dein Glück gefunden hast.«
»Einige Jahre lang lebte ich mit dem Jäger zusammen, den meine Mutter gedungen hatte, mich zu ermorden«, sagte Schnee. »Aber dann erfuhr sie von seinem Verrat und folterte ihn zu Tode. Dafür habe
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