Drei Engel für Armand
ich sie umgebracht.« Schnee zuckte die Schulter und griff nach einer anderen Tasche. »Haben wir noch was anderes zu trinken mitgenommen?«
»Sind alle Geschichten wie diese?«, fragte Danielle. »Ist Hans Riesentöter in Armut und Verzweiflung geendet? Wurde Rotkäppchen von Wölfen ermordet, die Vergeltung für den Tod ihrer Artgenossen suchten?«
Talia prustete. »Nein, Rot hat überlebt. Aber so was verändert eine Frau.«
»Verändert sie inwiefern?«
»Die Lady von der Roten Kappe ist eine der gefürchtetsten Attentäterinnen dieser Seite Adenkars«, beantwortete Schnee ihre Frage.
Danielle starrte die beiden an und versuchte in ihren Mienen zu lesen. »Ihr scherzt!«
»Es ist wahr.« Talia rollte die Ärmel hoch und berührte eine der Narben an ihrem Unterarm. »Vor ein paar Jahren hätte die Schlampe um ein Haar die Königin umgebracht.«
Danielle lehnte sich zurück und versuchte das Gehörte zu verdauen. Man brauchte sich ja nur vor Augen zu halten, wie sehr ihre eigene Geschichte in den vergangenen Monaten ausgeschmückt und verändert worden war. Das Einzige, was alle Versionen gemein hatten, war, wie perfekt ihr Leben sein würde, wenn sie Armand erst einmal geheiratet hatte. Ihre Hände wanderten zu ihrem Bauch.
Talia wischte sich das Gesicht ab. »Ich will ja nicht mit dem alten König Phillipe streiten, aber nach meiner Erfahrung ist die beste Waffe eine gute Waffe.« Sie ergriff Danielles Handgelenk und klatschte ihr ein Messer in die Hand. »Normalerweise würde ich mit Beinarbeit beginnen, aber das hier ist nicht direkt ein ideales Übungsgelände. Dein Schwert ist fast so leicht wie dieses Messer, aber du hältst es wie ein betrunkener Holzfäller seine Axt. Du bist zu verkrampft, und das macht dich langsamer.«
Danielle versuchte ihren Griff zu lockern.
»Nicht so locker!«, sagte Talia. Sie klopfte mit den Fingerknöcheln auf die Klinge, und das Messer wirbelte aus Danielles Hand und bohrte ein Loch in eine der Decken. »Nimm Daumen und Zeigefinger, um die Spitze zu führen; so bekommst du Kontrolle.«
Sie machte es mit dem Messer vor und reichte es anschließend wieder Danielle, die versuchte, Talias Bewegungen nachzuahmen. Sie ließ die Spitze der Klinge hin und her schnellen.
»Kleine Bewegungen! Du bist nicht stark genug für eine Rohe-Gewalt-Methode mit Hauen und Stechen. Zum Glück brauchst du die auch nicht – mit diesem Schwert.
Eine leichte Berührung mit der Spitze an der richtigen Stelle wird einen Mann so totmachen wie ein Stich mit einem Breitschwert durchs Herz.« Talia berührte ihre Kehle. »Hier ist dein bestes Ziel, wenn du es treffen kannst. Eine Finte gegen die Weichteile ist auch gut, falls du gegen einen Mann kämpfst. Der Anblick einer Klinge, die auf ihre Kronjuwelen losgeht, wird die meisten Männer dazu bringen, zurückzuspringen und die Deckung herunterzunehmen.«
»Ich will niemanden umbringen«, sagte Danielle und starrte auf das Messer.
»Ich bin sicher, deine Stiefschwestern werden entzückt sein, das zu hören.« Talia bekam Danielles Handgelenk zu fassen und wand ihr das Messer aus der Hand. »Das bedeutet nämlich, dass es viel leichter für sie werden wird, dich umzubringen.« Mit eine Geste bedeutete sie Danielle, ihr eigenes Messer zu ziehen. »Wenn ich diesmal einen Ausfall mache, dann halt die Klinge quer vor deinen Körper, um meine zur Seite zu schlagen. Lass es langsam angehen! Erst lernen wir die Bewegungen; später kümmern wir uns um die Schnelligkeit.«
Fast eine Stunde lang übten sie. Danielle hatte den Verdacht, dass Talia das Training nicht nur um ihretwillen abhielt, sondern auch, um sich selbst von ihrem eigenen Unbehagen abzulenken. Zu dem Zeitpunkt, als Karina zu kreisen begann, war Danielles Hand verkrampft und schweißnass und ihre Schultern schmerzten von den verschiedenen Ausfällen und Paraden, die Talia sie wieder und wieder hatte machen lassen.
Danielle steckte das Messer weg und betrachtete durch das Weidengeflecht den Boden unter ihnen. Ehrfurcht wischte alle anderen Gefühle hinweg, als ihr Blick auf die Schlucht fiel, die die Insel in zwei Teile spaltete. Malindars Triumph, so wurde sie von manchen genannt.
Die Schlucht erstreckte sich über die gesamte Breite der Insel, ein hässlicher Einschnitt, der kein Ende zu nehmen schien. Selbst von so hoch oben in der Luft war nichts vom Ozean zu sehen.
Gras und Bäume wuchsen bis unmittelbar an die Ränder der Schlucht, an manchen Stellen klammerten sich die Bäume
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