Drei Generationen auf dem Jakobsweg: ... und meine Erfahrung mit Gott! (German Edition)
Jetzt überlegte ich, wie ich meiner Tochter beibringen sollte, dass wir morgen eine Zwangspause einlegen müssten. Ich entschied mich dies erst nach dem Essen kundzutun. Martina begleitete uns noch in ein Schuhgeschäft, um eventuell neue Schuhe zu kaufen, aber es war unmöglich. Wie sollte ich mit offenen Fersen feststellen können, ob ein Schuh passte oder nicht? Nun zeigte uns Martina noch, wo wir später das beste Pilgermenü der Stadt einnehmen könnten, und einen Supermarkt, um für das morgige Frühstück und Wasser für die nächste Etappe einzukaufen. Außerdem bot sie uns an, zusammen mit ihrem spanischen Ehemann für unsere nächsten Etappen telefonisch Zimmer zu reservieren. Aber nicht jeder Pilger trifft auf Martina, ich nannte sie ab sofort unseren rettenden Engel und ich war überzeugt, dass sie uns zur Seite gestellt worden war.
Nach unserem guten und gemütlichen Abendessen gingen wir zurück. Jetzt beschloss ich nichts von dem morgigen Ruhetag zu erwähnen und einfach weiterzulaufen. Die Schmerzen wurden weniger, außerdem wollte ich noch vor dem zu Zubettgehen eine Tablette gegen die Entzündung einnehmen und dann würde alles gut werden. Larissa brachte Franzi ins Bett. Mein Mann und ich gingen zu Martina und Daniel, welche nur um die Ecke wohnten, um mit ihnen gemeinsam für die nächsten Tage unsere Reservierungen durchzusprechen. Daniel staunte nicht schlecht, er telefonierte sich die Finger wund, bis er die Reservierungen festgemacht hatte. Auch er meinte, dass der Pilgerstrom im Jahr 2011 gegenüber 2010 sehr zugenommen habe. Ich freute mich für die beiden, denn das war gut für ihr Geschäft. Außerdem wurde gerade ihre derzeit noch im Bau befindliche Herberge in Moratinos, 30 km von unserem jetzigen Standort entfernt, fertiggestellt. Ich freute mich heute schon für jeden, der bei Martina und Daniel eine Unterkunft finden würde. Denn wer wirklich Nächstenliebe gepaart mit Gastfreundschaft erleben möchte, der muss dorthin. Da führt kein Weg dran vorbei.
Als wir in unserem heutigen Zuhause ankamen, schlief Franzi bereits tief und fest, so konnten wir zusammen mit Larissa bei einem Glas Wein den heutigen Tag ausklingen lassen und die nächsten Etappen unseren Reservierungen anpassen. Außerdem lernten wir dann noch das deutsche Ehepaar näher kennen. Etwas enttäuscht nahm ich zur Kenntnis, dass er, namens Manfred, den Weg nur wegen des Buches von Hape Kerkeling ging. Er sah es als sportliche Herausforderung, denn wenn jemand wie Hans Peter Kerkeling, der sich in seinem Buch selbst als Couch-Potato bezeichnet, den Weg schafft, dann schaffte er das doch mindestens genauso gut. Zum Abschied sagte er dann: »Ich bin dann ma wech, nich! Gute Nacht zusammen!« Seine Frau, namens Erika, ließ er einfach bei uns sitzen. Etwas irritiert sagte auch sie schnell Gute Nacht und verschwand im selben Augenblick nach oben. Wir waren über so viel Harmonie unter Eheleuten, die diesen Weg zusammen beschreiten, perplex. Unbenommen, Manfred war nett, zwar extravertiert, hatte für meine Begriffe eine etwas zu laute Stimme und vor allem die falschen Beweggründe den Jakobsweg zu gehen. Seine Frau tat mir leid, obwohl ich sie nicht recht einordnen konnte. Trotzdem übten auch sie Nächstenliebe aus, indem sie uns Obdach gewährten, und dafür bin ich ihnen heute noch sehr dankbar.
5. Juni Carrion de los Condes – Morantinos (30 km)
Halb sieben aufstehen. Ich war todmüde und hatte Muskelkater. Wie gerne hätte ich heute einen Ruhetag! Ob ich nicht doch noch was sage? Vielleicht beim Frühstück. Also schnell – so schnell es halt unter diesen Umständen ging – aufgestanden! Manfreds und Erikas Zimmer war bereits leer. Beide waren schon früh um sechs Uhr aufgebrochen. Im Erdgeschoss hörte ich das Klappern von Geschirr und wusste, dass uns heute ein von Larissa gedeckter Frühstückstisch erwartete. Das ganze Haus duftete bereits nach frischem Kaffee. Jetzt, nachdem wir am Tisch Platz genommen hatten, machte mein Mann in den Augen meiner Tochter einen groben Fehler, indem er nachfragte, wo denn der Zucker sei. Ein in ihren Augen »moderner Mann« wäre doch sofort aufgesprungen und hätte die ganze Küche nach Zucker durchsucht! Oder, ihr modernen Männer, ist doch so? Auf das entsetzte Gesicht meiner Tochter hin wollte ich mir nicht auch noch erlauben für heute einen Ruhetag einzufordern. Allerdings wollte ich zumindest in Ruhe, eine halbe Stunde sollte das schon sein, frühstücken. Aber weit
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