Drei Generationen auf dem Jakobsweg
dankbar, dass Larissa bisher von Blasen verschont worden war. Trotzdem hatten wir heute bis auf kleine Auf- und Abstiege eine leichte, sprich flache Etappe über gute, jedoch leider schattenlose Feldwege. Wie gut, dass es heute etwas kühler war. Wir liefen an sich im Wind wogenden Weizenfeldern vorbei, welche den Anschein von Samt und Seide boten. Ein wunderbarer Anblick, soweit das Auge reichte. Weil die Wege in dieser Gegend wie bereits erwähnt ohne jeglichen Schatten verlaufen, haben die Spanier hier offensichtlich doch ihr Herz für Pilger entdeckt. Über mehrere Kilometer sahen wir neu gepflanzte Jungbäume, welche in den kommenden Jahren Pilgern als Schattenspender dienen würden.
Larissa blieb heute bei uns und ließ sich sogar von Peter einmal über geraume Zeit die Kinderkutsche samt schlafender Franziska abnehmen. Sie genoss es sichtlich, auch mal mit zwei Stöcken zu laufen, und Peter genoss es, seine Prinzessin zu kutschieren. Lachend und plaudernd gingen wir nebeneinander her. Nachdem der Weg, trotz aller positiven Erfahrungen und Gedanken, die ich heute hatte, keine Ende nehmen wollte, musste ich jetzt, um weiterlaufen zu können, einen Schuhwechsel vornehmen. Der Weg war endlos lang, weit und breit kein Ende in Sicht, nur ewig lange Wege und Felder erkennbar. Ich sprach mit Gott und allen meinen Schutzheiligen, aber die hatten offensichtlich etwas anderes, Wichtigeres zu tun oder sogar Sendepause. Da ich mich jetzt im Stich gelassen fühlte, fing ich an zu schimpfen. Weit und breit ist kein Ende in Sicht, ohne die Pausen eingerechnet haben wir bereits sechs Stunden Laufzeit hinter uns. Wenn das so weitergeht, bekommen wir vielleicht im nächsten Nest kein Zimmer mehr, da andere schneller waren als wir. Mir ist egal, ihr Schutzheiligen, was ihr macht, und es ist mir auch egal, wie ihr es macht, meinetwegen lasst den Erdboden aufgehen oder explodieren, aber lasst uns endlich ankommen. Ich war richtig wütend. Einige Minuten später, ich wollte mich fast schon für meine forschen Worte entschuldigen, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen. Der Erdboden öffnete sich wirklich in Form einer Senke, in welcher sich das Kaff Hontanas befand. Sollte ich mich nun entschuldigen oder durfte ich auch mal schimpfen, wenn ich so wie vorhin dachte, es ginge nicht mehr? Ich entschied mich für Letzteres!
Das Dorf bestand aus liebevoll gestalteten Häusern, allesamt aus Steinen gemauert. Der Ort ist nicht nur liebevoll gestaltet, sondern auch sehr romantisch. Wir liefen direkt auf die Herberge zu und sahen auch ein Schild mit der Aufschrift Hostal. Gleich machte ich mich auf den Weg hinein, während sich mein Mann und Larissa um unsere Kleine kümmerten. Die junge Wirtin verwies mich ein paar Häuser weiter zu ihrer Mutter namens Pilar, welche uns dann auf verschiedenen Etagen in sauberen Zimmern, mit sehr schönen Betten und Bettdecken ausgestattet, unterbrachte. Sie bot uns auch den Wäscheservice an, den wir sehr gerne in Anspruch nahmen. Waschmaschine und Wäschetrockner waren vorhanden. Zum Abendessen kam dann zu unserer und Franzis Überraschung auch die kleine dreijährige Enkeltochter der Wirtin, ebenfalls mit Namen Pilar, dazu. Jetzt waren Franzis Kinderaugen überglücklich. Sofort teilte Pilar mit unserer Kleinen ihre vorhandenen Buntstifte und Zeichenutensilien. Anschließend gingen sie nach draußen, um miteinander zu spielen. Sie malten mit Franzis Straßenkreide ebenso wie mit Pilars Buntstiften, sie spielten fangen und verstecken und verstanden sich so, als würden sie die gleiche Sprache sprechen. Wie einfach doch Kinder miteinander umgehen. Es war einfach nur schön, zusehen zu dürfen. Als wir draußen standen, kam ein Pilger in den Fünfzigern auf uns zu, der nebenan in der Pilgerherberge sein Quartier gefunden hatte. Er rannte auf Franzi zu, kniete vor ihr nieder und küsste sie unvermittelt auf die Wange. Dann erwartete er auch noch von unserem Kind, dass auch sie ihn auf die Wange küsste. Er murmelte immer wieder Prinzessin, Prinzessin. Hätte sich Franzi nicht von ihm losgerissen, hätte ich das getan. Was fällt dem überhaupt ein! Franzi lief die paar Meter auf uns zu und war genau wie wir doch ziemlich irritiert. Als ich meine Fassung wieder hatte, jedoch ehe ich etwas sagen konnte, erklärte er uns, dass er zwei erwachsene Söhne hätte, sich aber immer eine kleine Prinzessin gewünscht habe. Sogleich nahm er unser Kind wieder an die Hand und versprach ihr ein Eis, das er zusammen mit
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