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Drei Generationen auf dem Jakobsweg

Drei Generationen auf dem Jakobsweg

Titel: Drei Generationen auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Stein
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früh um sechs Uhr aufgebrochen. Im Erdgeschoss hörte ich das Klappern von Geschirr und wusste, dass uns heute ein von Larissa gedeckter Frühstückstisch erwartete. Das ganze Haus duftete bereits nach frischem Kaffee. Jetzt, nachdem wir am Tisch Platz genommen hatten, machte mein Mann in den Augen meiner Tochter einen groben Fehler, indem er nachfragte, wo denn der Zucker sei. Ein in ihren Augen »moderner Mann« wäre doch sofort aufgesprungen und hätte die ganze Küche nach Zucker durchsucht! Oder, ihr modernen Männer, ist doch so? Auf das entsetzte Gesicht meiner Tochter hin wollte ich mir nicht auch noch erlauben für heute einen Ruhetag einzufordern. Allerdings wollte ich zumindest in Ruhe, eine halbe Stunde sollte das schon sein, frühstücken. Aber weit daneben. Während des Frühstückens wurde uns bereits das Geschirr entzogen, gespült und die Küche aufgeräumt. Dann kam die Meldung unserer Tochter, dass sie bereits vorausgehen werde, weil wir noch nicht fertig waren. Gesagt, getan, schon saß Franziska in ihrer Kutsche und los ging es für die beiden. Nur gut, dass das Gebiet zwischen Burgos und León ohnehin flach wie eine Rennbahn ist. Also auch die heutige Etappe.
    Etwa eine halbe Stunde später, gegen acht Uhr, verabschiedeten wir uns noch von Martina, unserem rettenden Engel, und starteten ebenfalls. Das Wetter war angenehm sonnig, aber es drohte heute heiß zu werden. Ein endlos langer, unschöner Weg begann. Die ersten zwölf Kilometer des Jakobsweges verliefen heute über die Originalroute der alten Römerstraße Via Aquitana , schnurgerade und absolut schattenlos. Wie gut, dass wir vier Pilger unsere Cowboyhüte hatten. Um diese wurden wir von den anderen Pilgern beneidet, die mit Schals, Käppis und Sonnenblenden versuchten ihr Gesicht vor der sengenden Sonne zu beschatten. Gut, dass die Wasserflaschen voll waren. Schon machte ich mir wieder Sorgen um die beiden Kinder. Haben sie genug Wasser und genug zu essen dabei? Aber ich verwarf diese Gedanken und vertraute auf alle unsere Schutzheiligen. Schließlich wollte Larissa alleine vorauslaufen. Sie würde sich schon was dabei gedacht haben, konnte es doch nicht an der angefragten Zuckerdose gelegen haben! Oder doch? Egal, ich beschloss jetzt einfach nur meinen Weg zu gehen. Gleichmäßiges Tempo und auf meinen rechten Fuß, der inzwischen täglich mehr anschwoll, zu achten.
    Der Weg drohte nicht aufzuhören, als plötzlich auf der linken Seite neben dem Weg ein kleines, eingezäuntes Grundstück mit einem Wohnwagen darauf und etlichen Tischen und Stühlen davor auftauchte. Sogar Bäume waren gepflanzt und sorgten für etwas Schatten. Lange hatte ich schon überlegt, warum die Spanier so wenig Geschäftssinn entwickeln und nicht an der einen oder anderen Strecke einfach nur Wasser verkaufen. Hier konnten wir an der richtigen Stelle und zur richtigen Zeit eine Ruhepause einlegen. Ein sehr netter Spanier verkaufte Wasser, Kaffee und sonstige Getränke sowie frisches Obst und eine kleine Auswahl an Süßigkeiten. Als wir diese kleine Oase betraten, wurden wir von anderen Pilgern begrüßt wie alte Freunde. Unsere Tochter samt Enkelin sei vor fünf Minuten von hier wieder losgezogen. Die Pilger überlegten bereits seit Tagen oder Wochen, in welcher Konstellation wir zusammengehörten, zu wem von uns wohl das Kind gehöre, da jeder von uns sich gleichermaßen um die Kleine kümmere. Der Mann könne sowohl zur einen wie zur anderen passen! Heute hätte ihnen Larissa auf Nachfrage, ob wir Schwestern seien, erklärt: »Die beiden sind meine Eltern und somit Großeltern von meiner Tochter .« Also kombinierten unsere Mitpilger: Vater, Mutter, Tochter und Enkelin! Das sind ja drei Generationen auf dem Jakobsweg. Kaum zu glauben, meinten einige. Gibt es da nicht Spannungen, Reibungen oder Ärger? Wir sagten nur, natürlich gebe es die, und ich dachte mir, wenn ihr wüsstet, wie es mir wirklich geht. Aber wir wollten keinen Small Talk halten, sondern uns nur ein bisschen stärken, um im Anschluss unsere Kinder einzuholen.
    Gesagt, getan, wir aßen nur schnell jeder eine Banane, rauchten eine Zigarette, tranken einen Schluck und machten uns wieder auf die Socken. Nach einer viertel Stunde Gehzeit trafen wir dann auch auf Larissa und Franziska. Die Kleine hatte wohl in ihrem Wagen geschlafen und wollte jetzt, verständlicherweise, ein Stück zu Fuß laufen. Leider waren wir inmitten einer schattenlosen Strecke. Franzi wurde Gott sei Dank schnell müde in

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